„Unsere Liga wird unterschätzt“
Saison-Start

„Unsere Liga wird unterschätzt“

Pavel Krmaš war Profi in Tschechien und Deutschland – und ist studierter Mathematiker

22. 7. 2021 - Interview: Klaus Hanisch, Titelbild: Jason Charters

PZ: Die EM ist gerade erst vorbei, schon beginnt am 24. Juli wieder die tschechische Liga. Bei unserem letzten Gespräch im Dezember 2013 sagten Sie, ein schlechter Hellseher zu sein. Trotzdem die Frage: Wird Slavia wieder Meister?
Pavel Krmaš: Auch jetzt sage ich: Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Aber trotzdem glaube ich, dass die Meisterschaft zwischen Sparta und Slavia entschieden wird. Diese beiden Prager Klubs haben einfach die besten Kader.

Slavia hat letzte Saison in der Meisterschaft kein einziges Spiel verloren, zudem das Double gewonnen. Beruht der Erfolg allein darauf, dass dort das meiste Geld durch chinesische Sponsoren ist – auch wenn der Klub in den letzten Jahren wichtige Spieler wie Souček und Coufal verkaufte?
Zunächst: Ich denke nicht, dass eine tschechische Mannschaft jemals wieder ohne eine einzige Niederlage durch eine Saison marschieren wird. Und was das Geld betrifft: Natürlich kann es auch ein Grund für Erfolg sein. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass das Wichtigste für den Erfolg eine funktionierende Mannschaft ist, in der die Spieler gute Charaktere sind und einen guten Trainer haben. Das muss zusammenpassen. Für Slavia läuft es derzeit einfach. Und klar, auch Geld hat einen kleinen Anteil daran. Damit können sie viele Spieler ausprobieren, die behalten, die zur Mannschaft passen, und die anderen weiterverkaufen.

Krmaš kehrte 2015 in seine Heimat zurück. | © FAČR

Sie spielten für den FC Hradec Králové, Sparta Prag, den FK Teplice und danach lange für den SC Freiburg. Wie groß ist der Unterschied zwischen Fortuna:Liga und Bundesliga?
Einfache Frage – aber schwierige Antwort. Eines ist klar: In der tschechischen Liga spielt man nie gegen Stars wie Lewandowski oder Neuer, Boateng oder Kimmich. Trotzdem hat die tschechische Liga kein schlechtes Niveau, sie wird oft unterschätzt. Unterschiede gibt es definitiv, was die Schnelligkeit des Spiels betrifft, die Arbeit mit dem Ball, die Zahl der Zuschauer, den Zustand der Stadien. Trifft eine deutsche Mannschaft aber in der Europa League auf eine tschechische Mannschaft, dann ist es sehr oft eng und nicht sofort klar, wer weiterkommen wird. Und bei der EM kam Deutschland gerade bis ins Achtelfinale, Tschechien bis ins Viertelfinale …

Wie ausgeglichen ist die Liga in der kommenden Saison?
Ich hoffe, die Saison wird spannender als in den letzten beiden Jahren. Zuletzt war sie tatsächlich etwas langweilig. Wie gesagt, ich erwarte einen Zweikampf zwischen Slavia und Sparta. Aber auch Mannschaften wie Jablonec, Liberec oder Ostrava können eine gute Rolle spielen, vielleicht auch Olomouc.

Sie wurden im ostböhmischen Broumov geboren und kehrten nach Ende Ihrer Bundesliga-Karriere zurück nach Hradec Králové. Sind Sie dort noch dem aktiven Fußball verbunden?
Ich habe nach meiner Rückkehr noch ein Jahr für den FC Hradec gespielt und anschließend drei Jahre als Sportdirektor für den Klub gearbeitet. Jetzt bin ich Co-Trainer der zweiten Mannschaft und will das noch eine Weile machen. Ich habe noch immer viel Spaß am Fußball.

Der FC Hradec ist nach vier Jahren wieder in die Erste Liga aufgestiegen. Erzfeind Pardubice hielt sich im ersten Jahr in der Liga. Sie sind studierter Mathematiker. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch der FC Hradec wie Pardubice als Aufsteiger in der höchsten Liga behaupten wird?
Das weiß ich ganz genau: Die Wahrscheinlichkeit ist 50 Prozent – entweder wir bleiben drin oder wir steigen wieder ab … Im Ernst: Die Mannschaft hat eine gute Basis, ebenso talentierte junge wie ein paar erfahrene ältere Spieler, dazu einen erfahrenen Trainer. Das kann auch in der ersten Liga sehr gut funktionieren. Ich erwarte, dass wir uns in der Liga halten.

Haben Sie Ihre Ausbildung zum Mathematiker jemals beruflich genutzt?
Beruflich nicht, aber ich habe sie dafür verwendet, um meine Tochter ein halbes Jahr lang auf die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium vorzubereiten. Zum Glück hat es geklappt.

Adam Hložek von Sparta Prag wurde in Deutschland während der EM bereits als Jahrhundert-Talent bezeichnet. Er ist erst 18, wird er der Spieler der neuen Saison?
Hmm, so viel ist klar: Adam ist ein sehr talentierter Spieler. Er hat seine Qualitäten bereits gezeigt, ist schnell, torgefährlich, kann auch Tore vorbereiten. Für sein Alter ist er ein unglaublich guter Fußballer. Viele große Vereine interessieren sich schon für ihn. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er der beste Spieler der neuen Saison wird. Zumindest wäre es für mich keine Überraschung.

Adam Hložek spielt seit 2018 beim Rekordmeister. | © AC Sparta Praha

Bei der EM waren nur zwei Tschechen aus der Bundesliga Stammspieler: Patrik Schick und Vladimír Darida, der seine Karriere in der Nationalelf überraschend beendet hat. Österreich und die Schweiz spielten hingegen mit vielen Bundesliga-Profis. Warum kommen nur noch so wenige Tschechen in die Bundesliga?
Gute Frage. Die Bundesliga und tschechische Spieler passten und passen immer noch gut zusammen. Die Tschechen sind sehr diszipliniert bei taktischen Fragen, und das ist sehr wichtig im deutschen Fußball. Außerdem ist unsere Mentalität sehr nahe an der deutschen. Die Frage, warum es keine Transfers mehr von Tschechen in Richtung Deutschland gibt, müssen vor allem Scouts und Berater der Spieler beantworten.

Tschechien hat bei der EM Geheimfavorit Holland ausgeschaltet und das Viertelfinale erreicht. Für Tomáš Galásek war das ein großer Erfolg, nach Meinung von Patrik Schick wäre dagegen noch mehr möglich gewesen. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Nach meiner Meinung hat uns eine Niederlage vor der EM sehr geholfen, nämlich das 0:4 in Italien. Danach haben wir sehr intensiv an unserem Defensiv-Verhalten gearbeitet. Folge war, dass wir bei der EM sehr wenige Gegentore bekommen haben. Meiner Meinung nach war das Viertelfinale ein Erfolg für uns. Auf der anderen Seite war Dänemark dort ein Gegner, den wir schon hätten schlagen können. Leider hat es nicht geklappt. Auch weil uns das Glück, das wir in den Gruppenspielen hatten, im Viertelfinale ein wenig gefehlt hat.

Sie spielten eine halbe Ewigkeit für den SC Freiburg, nämlich acht Jahre, und erwarben sich im Breisgau einen exzellenten Ruf. Haben Sie heute noch Kontakt zu Dauertrainer Christian Streich oder zu ehemaligen Mitspielern, etwa Dauerläufer Vladimír Darida, der jetzt für Hertha BSC Berlin spielt?
Klar, mit Dari bin ich regelmäßig in Kontakt. Und auch mit dem Trainer telefoniere ich ein paar Mal im Jahr. Sehr gute Verbindungen habe ich auch noch zu den Physios vom SC und einem sehr guten Freund.

In Deutschland galten Sie als der etwas andere Profi, als ein Intellektueller unter den Spielern. Auch, weil sie lieber ein Buch lasen statt sich mit Unterhaltungselektronik zu beschäftigen. Wurden Sie deshalb von den Mitspielern bewundert oder eher belächelt?
Ich fühle mich nicht als Intellektueller, obwohl ich das auch ab und zu gelesen habe. Ich habe lediglich versucht, immer 100 Prozent zu geben, ehrlich und gerecht zu sein und zu bleiben. Dieser Ruf kam dann irgendwie von allein. Dabei habe ich mich immer und vor allem als Teil des Ganzen gesehen, als einer von vielen Spielern und wie alle anderen. Deshalb wurde ich weder bewundert noch belächelt.

Krmaš absolvierte knapp 160 Spiele für den SC Freiburg. | © SCF

Welche Erfahrungen haben sie aus Ihren vielen Jahren in Deutschland mitgenommen: Ebenfalls vor allem Disziplin und Pünktlichkeit, wie Martin Hašek in unserem EM-Interview betonte?
Wenn man in Deutschland Erfolg haben will, dann muss man in jedem Fall diszipliniert und pünktlich sein. Was ich außerdem in Freiburg gelernt habe, ist noch größere Professionalität als in Tschechien. Ein viel größerer Fokus wird auf die Taktik gelegt. In Freiburg herrschte ein unglaublicher Teamgeist, wir haben als Mannschaft funktioniert und damit auch Erfolg gehabt. Wirklich jeder hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt, sie war immer wichtiger als individuelle Klasse.

Und was war für Sie im Leben in Deutschland neu und anders?
Es war für mich als Ausländer anfangs natürlich schwieriger, in Freiburg zu leben als in irgendeiner tschechischen Stadt. Aber ich bin dort als Mensch gewachsen, habe die Sprache gelernt, die Kultur erfahren. Deutschland war eine sehr gute Erfahrung für mich.

Sie sind erst 41 Jahre alt. Was planen Sie für Ihr weiteres Leben?
Man weiß nicht, was morgen kommt. Wie gesagt, ich will noch einige Wochen, vielleicht auch Jahre, im Verein weiterarbeiten, will viel Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Und mindestens einmal im Jahr will ich nach Freiburg fahren, um alte Freunde zu besuchen. Das ging zuletzt wegen Corona nicht, aber ich hoffe, dass es bald wieder möglich sein wird.

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