Der etwas andere Profi

Der etwas andere Profi

Pavel Krmaš über das Fernduell mit Slovan Liberec in der Europa League und seine lange Zeit beim SC Freiburg

6. 12. 2013 - Interview: Klaus Hanisch

Pavel Krmaš ist anders als die meisten Profi-Fußballer: Mitspieler und regelmäßige Beobachter in Freiburg schildern ihn als ruhigen und nachdenklichen Menschen. Tschechischen Fachjournalisten ist er als besonders intelligenter Spieler in Erinnerung. Tatsächlich beschäftigt sich Krmaš etwa bei Reisen zu Auswärtsspielen nicht mit Unterhaltungselektronik wie junge Spieler, sondern liest lieber ein Buch seines Landsmanns Ivan Kraus über dessen Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und im Kommunismus. Im Europa-League-Hinspiel gegen Liberec waren sieben der elf Freiburger ohne Europacup-Erfahrung und ein halbes Dutzend Spieler jünger als 24. Damit ist der 33-jährige Krmaš auch ein wichtiger Helfer für seine Mitspieler. Ganz besonders für seine Landsleute Václav Pilař und Vladimír Darida, die erst in dieser Saison in den Breisgau kamen. Im Fernduell mit Slovan Liberec kommt es am Donnerstag zu einem Endspiel in der Europa League.

Freiburg muss im Heimspiel gegen den FC Sevilla mehr Zähler erzielen als das punktgleiche Liberec auswärts bei Estoril Praia, um noch in die Zwischenrunde zu kommen. In einer einzigen Partie steht damit die Arbeit einer ganzen Saison mit dem tollen fünften Platz in der Bundesliga auf dem Spiel. Spüren Sie einen besonderen Druck?
Nein, das ist keine besondere Situation. Druck haben wir jedes Wochenende in der Bundesliga und auch in den Europa-League-Spielen in Estoril und Liberec hatten wir den Druck, nicht verlieren zu dürfen. Wir wollen, wie in jedem Spiel, ordentlich Fußball spielen. Und wenn uns das gelingt, haben wir auch gute Chancen, erfolgreich zu sein.

In Liberec nutzte Freiburg den 2:0-Vorsprung zum Sieg, im Gegensatz zum Hinspiel. Vor dieser Partie sagte uns Trainer Streich, es werde einen ziemlichen Kampf geben. Genauso kam es mit zwei Platzverweisen, vielen nickeligen Szenen und gravierenden Abwehrfehlern. Auch im Rückspiel hat man sich nichts geschenkt. Warum waren beide Spiele so hart umkämpft?
Das ist ein internationaler Wettbewerb und jeder will sich zeigen. Liberec ist ein unangenehmer Gegner, der sehr aggressiv spielt und auch wir wollen es unseren Gegnern immer so schwer wie möglich machen. So haben sich halt zwei umkämpfte Partien entwickelt. Ich finde, es war aber immer alles im sportlichen Rahmen.

In Nordböhmen gelang Freiburg – auch wegen der langen internationalen Abstinenz – der erste Sieg im Europapokal seit zwölf Jahren. Den hätten Sie schon im Hinspiel mit ihrer Großchance in der Nachspielzeit sichern können. Haben Sie sich noch lange über die verpasste Gelegenheit geärgert?
Natürlich hätten wir das Heimspiel nach der 2:0-Führung gewinnen müssen. Ich selbst hatte in der 93. Minute die Möglichkeit, alles wieder gut zu machen. Leider ging der Ball nicht rein. Es blieb aber nicht viel Zeit, sich groß darüber zu ärgern. Es war eine englische Woche und wir haben drei Tage später schon wieder gespielt.

Ist Ihnen die tschechische Liga noch so vertraut, dass Sie den Trainern Tipps zu Slovan Liberec geben konnten?
Wir haben über den einen oder anderen Spieler gesprochen. Ich beobachte die tschechische Liga natürlich und nach der Gruppenauslosung habe ich mir die Spiele von Liberec noch intensiver angeschaut. Vielleicht haben uns diese Beobachtungen auch ein bisschen geholfen, aber das Entscheidende findet immer noch auf dem Platz statt.

„Der SC macht es jedem Neuzugang ziemlich einfach.“

Ihr Trainer beklagte in den letzten Wochen immer wieder die Mehrfachbelastung durch Bundesliga, DFB-Pokal und Europa League. Sie haben in dieser Saison erst drei Bundesligaspiele absolviert und werden meist im Europapokal eingesetzt. Hat Ihnen Trainer Streich erklärt, warum?
Ich versuche unter der Woche im Training mein Bestes zu geben und am Samstag entscheidet das Trainerteam, wer auf dem Platz steht. In der Bundesliga haben sie sich bisher halt oft für eine andere Startelf entschieden. Das ist aber völlig normal und die Situation kann sich für mich in so einer langen Saison auch schnell ändern.

Sie spielen schon Ihre siebte Saison in Freiburg – im schnelllebigen Profi-Fußball eine Ewigkeit. Was ist so besonders am Sportclub?
Ich habe mir das vor sieben Jahren ehrlich gesagt auch nicht vorstellen können. Aber ich fühle mich hier einfach wohl und erlebe durch den Trainer und das Umfeld große Unterstützung. Der Verein hat meinen Vertrag bisher auch in schwierigen Situationen immer verlängert, das weiß ich wirklich zu schätzen und versuche, von dem Vertrauen auch etwas zurückzugeben.

Trainer Streich erklärte uns auch, Sie leben den Jungen im Kader vor, wie ein Profi sein muss. Was meinte er damit: Sind Sie immer der Erste in der Kabine und der Letzte nach dem Training?
Ach nein, das ist eigentlich ganz einfach. Ich versuche meine Arbeit so gut und ernsthaft wie möglich zu erledigen. Was der Trainer genau meint, müssen Sie ihn selber fragen. Aber es freut mich natürlich, wenn meine Arbeit wertgeschätzt wird.

Sie sitzen im Mannschaftsrat und identifizieren sich stark mit dem Verein. Wie können Sie Ihren Landsleuten Vladimír Darida und Václav Pilař konkret helfen?
Da geht es natürlich erst mal um ganz alltägliche Dinge wie Übersetzungen auf dem Platz oder in der Kabine, aber auch bei Dingen, die nicht den Fußball betreffen. Das Allerwichtigste ist für die beiden, die Philosophie des Sportclubs zu verstehen, die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen und was die Trainer verlangen. Und dann geht es natürlich darum, sich schnell zu integrieren – da macht es unsere Truppe aber jedem Neuzugang ziemlich einfach.

„Die Nationalelf war für mich nie ein Thema.“

Was erwartete beide in Deutschland außerhalb des Fußballfeldes, worüber Sie damals selbst gestaunt haben?
Ich habe Václav und Vladimír zuallererst gesagt, dass hier sehr viel Wert auf Disziplin gelegt wird. Man muss pünktlich sein und versuchen, seine  Arbeit zu hundert Prozent zu erfüllen – dann ist alles gut. Das heißt nicht, dass wir hier keinen Spaß hätten, aber die Einstellung muss stimmen. Mir kam das immer entgegen, ich würde mich auch als ziemlich disziplinierten Spieler beschreiben.

Beide konnten wegen Verletzungen in der Bundesliga bisher keine Akzente setzen, abgesehen von Daridas Sonntagsschuss in Nürnberg. Trotzdem gelten sie weiterhin als Hoffnungsträger für die tschechische Nationalelf unter dem neuen Trainer Pavel Vrba. Zu Recht?
Eindeutig ja! Beide haben ihre Qualitäten in der Nationalmannschaft schon bewiesen und auch mit Pilsen in der Champions League richtig gute Spiele gemacht. Leider hat Václav jetzt 13 Monate nicht gespielt und muss erst wieder seinen Rhythmus und seine Sicherheit finden. Die Chance und die Zeit dafür bekommt er hier in Freiburg. Vladimír hatte Pech mit drei kleineren Verletzungen, seit er bei uns spielt, obwohl er vorher drei Jahre lang nie ausgefallen ist. Aber man sieht bei ihm seine Laufstärke, seinen guten Schuss, sein Kombinationsspiel. Ich bin überzeugt, dass beide dem SC Freiburg und der Nationalmannschaft viel helfen können.

Seit 2008 durchleiden Sie eine Verletzungshistorie, bis vergangenen Sonntag absolvierten sie „nur“ 119 Spiele in sieben Spielzeiten. Wäre ohne diese vielen Verletzungen  mehr möglich gewesen, ein größerer Verein, vielleicht sogar ein Länderspiel?
Ganz ehrlich, die Nationalmannschaft war für mich nie ein Thema. Ich bin selbstkritisch genug, um meine Qualitäten realistisch einschätzen zu können. Und trotzdem bin ich schon ein bisschen stolz auf meinen Weg als Fußballer. Ich hätte zu Beginn meiner Karriere nie gedacht, dass ich einmal erste tschechische Liga und danach Bundesliga spielen werde. Gedanken, was mit ein paar Verletzungen weniger möglich gewesen wäre, sind reine Spekulation und bringen gar nichts. Ich bin zufrieden, wie es ist und möchte das auch noch so lange wie möglich genießen.

Ihr Vertrag endet im kommenden Jahr, wann wird über eine Verlängerung gesprochen?
Ach, über Verträge spreche ich eigentlich nicht. Die Rückrunde wird zeigen, was kommt.

Kehren Sie nochmals in die tschechische Liga zurück, falls Ihr Vertrag nicht verlängert wird? Oder geht es dann gleich zurück in Ihre Heimatstadt Broumov?
Ich bin ein ganz schlechter Hellseher oder Wahrsager. Sicher ist, dass wir wieder nach Tschechien zurück wollen, aber nicht nach Broumov, sondern in eine andere Stadt.

Zur Person

Pavel Krmaš wurde am 3. März 1980 in Broumov geboren und spielt schon seit Sommer 2007 für den SC Freiburg. Damit ist er so etwas wie das tschechische „Urgestein“ in der Bundesliga. Unter dem guten Dutzend tschechischer Spieler in der Bundesliga kickt allein Torwart Jaroslav Drobný ein paar Monate länger in Deutschland; allerdings spielte er für drei verschiedene Klubs. Für den SC Freiburg absolvierte Innenverteidiger Krmaš 62 Spiele (3 Tore) in der Bundesliga sowie 57 Partien (4 Tore) in der 2. Liga. Davor spielte er unter anderem für den FK Teplice, Sparta Prag und SK Hradec Králové.