Absurdes Theater und historische Chance

Absurdes Theater und historische Chance

Die tschechische Presse zeigt sich enttäuscht vom politischen Geschehen

25. 7. 2013 - Text: PZText: PZ, Bild: Ondřej Sekora

Laut dem Wochenmagazin „Respekt“ sollte Ex-Regierungschef Petr Nečas erst vor der eigenen Haustüre kehren, bevor er im Zusammenhang mit der „hausgemachten“ Korruptionsaffäre die Staatsanwaltschaft an den Pranger stellt: „Nečas’ dramatischer Auftritt vor den Kameras war voller Wut und heftiger Worte, die an die Adresse der Staatsanwaltschaft, vor allem an Ivo Ištvan, gerichtet waren. Dieser „spielt ein absurdes Theater mit unserem Land“, macht „Experimente mit lebenden Menschen“ und „löst eine Verfassungskrise aus“. Das Problem ist hierbei aber, dass Petr Nečas und allem Anschein nach auch seine gesamte Partei für uns ganz schlechte Protagonisten und Wegweiser einer Zeit sind, die für den gesamten Staat nicht gerade einfach ist.“

Bis zur Vertrauensfrage am 8. August bemüht sich Staatsoberhaupt Miloš Zeman um den Rückhalt der von ihm ernannten Regierung unter Premier Jiří Rusnok. Am Sonntag traf er sich hierfür auf Schloss Lány bei Prag mit den Vertretern der Parlamentsparteien. Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ schreibt hierzu: „Der Präsident und der Premier suchen nach Stimmen für ihre Regierung, die durch eine Kriegserklärung an das Parlament entstanden ist. Trotzdem haben sie Chancen. Was, wenn in der ČSSD die Meinung überwiegt, dass man besser fährt, wenn man nach der Pfeife des Präsidenten tanzt, als sich auf die Vereinbarungen der Parlamentsparteien zu verlassen? Dann könnte die Regierung Rusnok die Unterstützung von 90 Abgeordneten erhalten.“ Dann hätte das Kabinett zwar kein Vertrauen erhalten und müsste laut Verfassung abtreten. „Aber wir kennen doch Zeman. Er lässt die Regierung noch einen Monat im Amt – auch ohne parlamentarischen Rückhalt. Oder er würde bei einem zweiten Versuch noch einmal Rusnok einsetzen.“ Deshalb ginge es Präsident und Premier um jede Abgeordnetenstimme.

Die Tageszeitung „Lidové noviny“ sieht eine Chance in der Krise, die durchaus selbstverschuldet sei. „In einem gewissen Sinne offenbart die aktuelle Krise die Unfähigkeit der tschechischen Gesellschaft, für eine demokratische Selbstverwaltung zu sorgen. Die Krise des politischen Parteiensystems ist noch lange nicht zu Ende und der Staatspräsident nutzt sie hemmungslos aus, um seine eigene Macht zu stärken und auszubauen. Dank der europäischen Integration wird all das aber nicht dazu führen, dass die Tschechen sich tatsächlich von den demokratischen Grundwerten verabschieden müssen. Und genau hier liegt die historische Gelegenheit. Das Schicksal der Demokratie in der Tschechischen Republik ist heutzutage untrennbar mit dem Erfolg der europäischen Integration und der allgemeinen Demokratisierung Europas verbunden. Würde es die EU nicht geben, wäre die „Oligarchisierung“ der Wirtschaft und die „Putinisierung“ der tschechischen Politik inzwischen vermutlich bereits vollendet.“

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