Kommentar: Unter Duzfeinden

Kommentar: Unter Duzfeinden

Sobotka kämpft um Tschechiens Image in der EU

1. 12. 2015 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: Vláda ČR

Es war wohl nur ein Sommermärchen, dass Präsident Zeman und Premier Sobotka Duzfreunde wurden und sich fortan vertragen wollten. Nur gut zwei Monate später liefern sich beide auf offener Bühne einen verbalen Schlagabtausch, der es in sich hat. Anlass war Zemans gemeinsamer Podiumsauftritt mit Martin Konvička, dem Anführer des rechtsextremistischen „Blocks gegen den Islam“, bei einer als Gedenkfeier zum 17. November gedachten Veranstaltung – man stelle sich vor, Bundespräsident Gauck würde sich zum Jahrestag des Mauerfalls Seite an Seite mit Lutz Bachmann auf ein Podium stellen!

Sobotka griff zu schwerem Kaliber, indem er Zeman vorhielt, Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit und Hass zu legitimieren und Ängste im Volk für sich auszunutzen. Zeman seinerseits zieh den Premier, ein frecher Bube zu sein und ein Sicherheitsrisiko dazu. Vor diesem Hintergrund kann man den Vermittlungsversuch von Finanzminister Babiš nur als verunglückt werten: „Die Mehrheit unserer Bürger teilt die Ansicht der Koalitionsregierung, und die Ansichten des Herrn Präsidenten sind, denke ich, auch richtig.“ Sobotka wird’s ihm danken. Ach, hätten sie sich doch dieses eine Mal an Bundeskanzlerin Merkel gehalten, die kürzlich, zu einer kritischen Äußerung von Gauck befragt, antwortete: „Ich kommentiere die Reden des Bundespräsidenten grundsätzlich nicht – das ist guter Brauch zwischen den Verfassungsorganen.”

Aber angesichts der Schwere des präsidentiellen Fehltritts ist die Schärfe der Reaktion des Premiers verständlich. War er doch angetreten, nach langen Jahren tschechischer Laxheit in EU-Fragen wieder einen klaren pro-europäischen Kurs zu steuern. Der geriet jedoch in der Flüchtlingskrise heftig ins Schlingern. Es gilt gar als realistisch, dass die EU-Außenbeauftragte Mogherini wegen der robusten Sprüche Zemans gegen den Islam Prag meidet und dass Merkel das Klingeln überhört, wenn Sobotka anruft. Möglich also, dass Sobotka einfach nicht mehr mitansehen wollte, wie Tschechiens Ruf in Europa durch Zemans Entgleisungen immer mehr ramponiert wird. Gesprächsstoff gibt es wohl genug, wenn das Präsidentenpaar den Premier mit Gattin demnächst zum traditionellen Neujahrsessen im Schloss Lány empfängt. Oder treiben die beiden es auf die Spitze und brechen auch mit diesem Brauch?