„Keine Kürzungen sind ein Erfolg“

„Keine Kürzungen sind ein Erfolg“

OECD-Botschafter Pavel Rozsypal über Tschechiens Entwicklungszusammenarbeit

22. 5. 2013 - Interview: Josef Füllenbach

1995 wurde Tschechien als erstes postsozialistisches Land Mitglied in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Nun ist Prag erneut Vorreiter und tritt dem Entwicklungshilfeausschuss der Organisation, dem DAC bei. PZ-Mitarbeiter Josef Füllenbach sprach mit dem tschechischen Botschafter bei der OECD, Pavel Rozsypal, über Entwicklungshilfe in Zeiten der Rezession und über den Bedeutungsverlust der internationalen Organisation.

Tschechien ist das erste postsozialistische Land im DAC. Räumt Ihr Land der Entwicklungszusammenarbeit denn eine besonders wichtige Rolle ein?
Rozsypal: Ja, für uns ist Entwicklungszusammenarbeit ein integraler Bestandteil der Außenpolitik. Unsere langfristigen bi- und multilateralen Aktivitäten sind vorrangig auf die Minderung der Armut und allgemein auf die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den Entwicklungsländern gerichtet. Unsere zehn wichtigsten Partner sind Afghanistan, Bosnien und Herzegowina, Äthiopien, Moldau, Mongolei, Georgien, Kambodscha, Kosovo, Palästina und Serbien. Hauptfelder der Zusammenarbeit sind die Stärkung der staatlichen Verwaltung und der Zivilgesellschaft, ferner Landwirtschaft, Umweltschutz, Energie- und Wasserversorgung sowie Bildung und Gesundheit.

Tschechien hat sich verpflichtet, bis 2015 0,33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. 2010 erreichte Ihr Land mit 0,13 Prozent den bislang höchsten Wert. Was folgte, war ein Rückgang auf 0,12 Prozent. Wie wird es weiter gehen?
Rozsypal: Die wirtschaftliche Situation in der EU und in anderen OECD-Ländern ist verhältnismäßig kompliziert. Trotz der Rezession ist es uns gelungen, das für die Entwicklungshilfe geplante Budget zu verteidigen. Wenn der gesamte Staatshaushalt erheblichen Kürzungen unterliegt, ist das als Erfolg zu werten. Andere DAC-Mitglieder haben das leider nicht geschafft. Bedeutende Steigerungen unserer Mittel sind kurzfristig nicht zu erwarten.

Das DAC soll vor allem gegenseitiges Lernen – sogenanntes Peer Learning – ermöglichen, um höhere Qualität zu gewährleisten. Was hofft Tschechien für seine Entwicklungszusammenarbeit zu lernen und welche Erfahrungen kann Ihr Land selbst einbringen?
Rozsypal: Wir interessieren uns vor allem für Möglichkeiten, die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe zu messen. Und für statistische Methoden bei der Erfassung der Aktivitäten. Als Neumitglied bieten wir unsere Erfahrungen aus der Transformation zu Beginn der neunziger Jahre an, beim Übergang vom totalitären System zur Demokratie sowie von der Plan- zur Marktwirtschaft. Wir halten auch den Austausch zu Fragen der „Guten Regierungsführung“ und zu Menschenrechten für wichtig.

Nicht-OECD-Mitglieder wie China, Indien oder Brasilien werden wirtschaftlich immer bedeutender. Wie sehen Sie den relativen Bedeutungsverlust der OECD auf globaler Ebene?
Rozsypal: Die Welt ist dynamisch, das Jahrhundert wird noch gewaltige Veränderungen bringen. Die OECD ist keine geschlossene Organisation, sehr eng arbeitet sie etwa mit den Ländern der G-20 zusammen, sie betreibt ein besonderes Programm zur Zusammenarbeit mit Schlüsselpartnern: China, Indien, Brasilien, Südafrika. Obwohl sich der Schwerpunkt der globalen Wirtschaft weiter nach Süden und Osten verschiebt, kann die OECD außer enormen Erfahrungen beim Aufbau funktionierender, auf sozialer Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit beruhender Demokratien und Marktwirtschaften auch die Fähigkeit zur Innovation und zu nachhaltigem Wachstum anbieten – gemäß der eigenen Losung „bessere Politiken für ein besseres Leben“. Deshalb haben viele Länder weiterhin ein großes Interesse, der OECD beizutreten.