Grenzenlose Hilfe in Notfällen

Grenzenlose Hilfe in Notfällen

Vereinbarungen zwischen Tschechien, Bayern und Sachsen unterzeichnet

4. 9. 2013 - Text: Klaus HanischText: khan; Foto: Innenminister Ulbig, Pecina und Herrmann in Bayreuth/BStMI

Das Jahrhundert-Hochwasser im Juni hat erneut gezeigt: Katastrophen bleiben oft nicht auf ein Land beschränkt, sondern suchen auch Nachbarstaaten heim. In Bayreuth haben die Innenminister von Bayern, Sachsen und Tschechien am Dienstag voriger Woche jeweils bilaterale Vereinbarungen über gegenseitige Hilfe bei Katastrophen- und schweren Unglücksfällen unterzeichnet. Damit wird eine seit Jahren bestehende Praxis erstmals rechtlich und formal geregelt.

Die Übereinkommen klären, wie gegenseitig über Schadensereignisse in grenznahen Gebieten informiert und Katastrophenhilfe angefordert wird. Klare Anforderungsverfahren und Ansprechpartner sollen schnellstmögliche Hilfe sichern. „Das gilt umso mehr, wenn Sprachbarrieren zu überwinden sind“, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Bei Waldbränden oder Unglücken wie etwa Zugunfällen können Bayern und Sachsen nun tschechische Hilfskräfte anfordern, ebenso umgekehrt. Über die Notrufnummer 112 können zudem in Deutschland und Tschechien gebührenfrei Rettungskräfte und Feuerwehren alarmiert werden.

Entsprechende Formulare liegen bei den Integrierten Leitstellen in zweisprachiger Ausführung vor. Im Notfall könne man auf eine Verständigung in Englisch ausweichen, so Herrmann.

Einsatz auf fremdem Boden
Wie nötig diese Verständigung ist, erfuhren kürzlich die Bewohner von Loučná pod Klínovcem (Böhmisch Wiesenthal), einem kleinen Ort auf dem Kamm des mittleren Erzgebirges, der direkt an der Grenze zu Deutschland gegenüber dem sächsischen Oberwiesenthal liegt. Dort brannten Mitte November vergangenen Jahres zwei Schuppen lichterloh. Doch die zuständige Wehr aus Kovářská (Schmiedeberg) kam nicht zum Brandherd durch. Auch die Feuerwehren aus den tschechischen Nachbarorten Vejprty (Weipert) und Klášterec nad Ohří (Klösterle an der Eger) mussten stoppen.

„80 Meter vor dem Brand war ein steiler Wiesenabhang, da kamen die tschechischen Kollegen mit ihren Wagen nicht runter“, erläuterte der deutsche Bürgermeister Mirko Ernst (FDP). So bekämpften 25 Wehrleute aus Ober-, Unter- und Hammer­unterwiesenthal das Feuer in Loučná am Fuß des Abhangs mit Wasser aus dem Grenzbach. Die Hilfe sei selbstverständlich gewesen, sagten die Deutschen. Umso mehr, da sie über das EU-Ziel-III-Programm ein neues Tanklöschfahrzeug für grenzüberschreitende Hilfe bekommen hätten. Dafür gab es einen herzlichen Dank aus dem Nachbarland.

Doch es war ein gefährlicher Einsatz im doppelten Sinn. Erstmals löschten die Deutschen allein auf tschechischem Gebiet. „Sachsen hat mit dem zuständigen Bereich Ústí nad Labem noch kein Rettungsabkommen, nur mit Karlovy Vary“, erklärte das Gemeindeoberhaupt hinterher, „wäre bei unserem Einsatz ein Unfall passiert, hätte es Probleme mit der Versicherung gegeben.“

Regelmäßige Übungen
Bei der Vertragsunterzeichnung erinnerte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) nun erneut daran, dass Hilfskräfte beider Länder schon seit Jahren den Schulterschluss suchten. Die Vereinbarungen erfolgten auf der Basis eines Vertrags vom 19. September 2000 zwischen Deutschland und Tschechien, in dem gegenseitige Hilfe bei Katastrophen und Unfällen zugesichert worden war. Bayerns Minister Herrmann nannte sie nun eine „Garantie für schnelle und effektive Hilfe über Ländergrenzen hinweg.“ Das funktioniere aber nur, wenn klar sei, welcher Ansprechpartner auf der anderen Seite der Grenze zur Verfügung stehe und Kenntnisse über die dortigen Organisationsstrukturen vorhanden seien.

Die Kosten eines Einsatzes trägt derzeit das Land, das auch die Hilfe angefordert hat. Informationen über drohende Katastrophen, wie etwa Hochwasser, sollen ab sofort schon gegenseitig ausgetauscht werden. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und gemeinsame Katastrophenschutzübungen gab es bisher schon. Auch regelmäßige Übungen sollen künftig im jährlichen Turnus weitergeführt werden, so Innenminister Ulbig.

Mit den Übereinkommen sei man nun dafür gewappnet, „dass wir auch schwere Unglücksfälle und Katastrophen Hand in Hand und in vertrauensvollen nachbarschaftlichem Miteinander bewältigen können“, bilanzierte Herrmann.