Kommentar: Fehlende Überzeugungsarbeit

Kommentar: Fehlende Überzeugungsarbeit

Selbst viele Kandidaten für die Europawahl offenbarten ihre Ignoranz in EU-Fragen

28. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: APZ

Bemerkenswert ist der tschechische Beitrag zum Ergebnis der europäischen Wahlen vor allem durch die niedrige Wahlbeteiligung: Lediglich 18,2 Prozent der Wahlberechtigten fanden den Weg in die Wahlkabine; nur in der Slowakei waren es mit 13 Prozent noch weniger. Damit liegen beide Länder weit unter dem europäischen Durchschnitt von 43 Prozent. Schon im Wahlkampf war zu spüren, dass es an zündenden Themen mangelte.

Jedenfalls im Vergleich zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Und weit und breit kaum jemand, der es vermocht oder auch nur gewollt hätte, die Bürger vom Sinn der Wahlen zum EU-Parlament zu überzeugen, dem allenthalben zunehmenden Verdruss gegenüber „Brüssel“ entgegenzutreten. Stattdessen offenbarten selbst viele der Kandidaten eine bemerkenswerte Ignoranz in EU-Fragen.

Wie soll der Wähler sich orientieren können, wenn sogar ein selbsternannter „Euroföderalist“ wie Präsident Zeman keine Gelegenheit auslässt, mit billigen Halbwahrheiten und Stammtischparolen über „die in Brüssel“ zu spotten und damit Vorurteile zu festigen?

Unter dem Gesichtspunkt der Stimmenverteilung auf die Parteien ist das Ergebnis dagegen zu begrüßen. Babiš’s Bäume wachsen nicht in den Himmel, wie noch manche Wahlprognose befürchten ließ. Erheblich zugelegt hat dagegen die Partei mit dem klarsten Integrationskurs, TOP 09. Die der EU wohlgesonnenen Parteien schicken mit 15 von insgesamt 21 tschechischen EU-Parlamentariern eine deutliche Mehrheit nach Straßburg. Die Euroskeptiker oder -gegner mussten Federn lassen, allen voran die ODS, die von bislang neun Mandaten sieben einbüßte. Sollte es also wegen der insgesamt erheblich verstärkten destruktiven Tendenzen im Europaparlament dazu kommen, dass dessen Zuwachs an Kompetenzen vorerst gebremst wird, liegt das nicht an den tschechischen Wählern.

Ansonsten alles wie gehabt: Jetzt geht es um Posten. Während in Berlin, Brüssel und anderswo die Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten gewogen werden, beginnt in Prag ein bescheideneres Tauziehen, nämlich um den Sessel des tschechischen EU-Kommissars.