„I brauch di … für das Bild“

„I brauch di … für das Bild“

Ein Spielfilm erzählt von Egon Schieles Verhältnis zu den Frauen und seiner künstlerischen Leidenschaft. In Tschechien läuft er bei „Das Filmfest

12. 10. 2016 - Text: Jan Nechanický, Titelbild: Novotny Film

Egon Schiele zählt zweifellos zu den größten Malern, die die Wiener Moderne hervorgebracht hat. Seine Motive waren provokativ, sein Stil bahnbrechend, sein Leben ganz der Kunst gewidmet. Der österreichische Regisseur Dieter Berner, der sich vor allem mit TV-Produktionen („Die Alpen­saga“, „Die Arbeitersaga“), aber auch als Schauspieler (in Michael Hanekes „Der siebente Kontinent“) einen Namen machte, zeichnet auf Basis von Hilde Bergers Romanbiografie die Lebensgeschichte des Malers nach.

Der Film beginnt mit dem Tod von Schieles Vater, der an Syphilis erkrankt ist und im Wahn den gesamten Familienbesitz zerstört. Im selben Jahr schreibt sich der verarmte, damals 16-jährige Egon Schiele (Noah Saavedra) an der Wiener Kunstakademie ein. Im akademischen Milieu fühlt sich der junge Künstler jedoch eingeengt und verlässt später die Schule. Er lernt Gustav Klimt kennen, der ihn als Gönner unter­stützt und ihm eine große Zukunft voraussagt.

Dank Klimts Kontakten schafft es Schiele, sich selbstständig zu machen und als großer Künstler angesehen zu werden. Diesen Beziehungen verdankt er es auch, dass er später an wichtigen Ausstellungen teilnehmen und eigene veranstalten kann. Und ebenfalls über Klimt lernt er die Liebe seines Lebens und größte Muse kennen – Wally Neuzil (Valerie Pachner). Doch Wally war bei weitem nicht die einzige Muse und wie schon der Titel der Buchvorlage verrät („Tod und Mädchen: Egon Schiele und die Frauen“), handelt der Film vor allem von den Frauen­beziehungen, die der Maler im Laufe seiner Karriere pflegte.

Egon verliebt sich in Wally Neuzil. | © epd Film

Zunächst wird seine jüngere Schwester Gerti (Maresi Riegner) zu seiner ersten Muse und seinem ersten Aktmodell. Später wird sie von der Varieté-­Tänzerin Moa Nahuimir abgelöst. Modell stehen ihm später noch seine Ehefrau Edith Harms (Marie Jung) sowie seine Schwägerin Adele (Elisabeth Umlauft). In den folgenden Jahren erarbeitet sich Schiele einen Ruf als provokativer Künstler. Seine Werke werden von der Wiener Gesellschaft als skandalös betrachtet. Er wird angeklagt, weil er angeblich eine 13-Jährige verführt hat.

Zuschauer sollten sich jedoch nicht darauf konzentrieren, ob Schiele tatsächlich ein Kinderschänder war, ob er ein Verhältnis mit seiner Schwester hatte, oder welche Frau er wirklich liebte. Denn die Beziehungen des Malers zu Frauen werden im Film nur als Gerüst für andere Themen verwendet. Etwa der Frage danach, wie weit ein Maler für seine Kunst gehen kann, welche Opfer er bringen darf und ob auch schlechte Menschen gute Kunst machen können.

Schieles Verhältnis zu den Frauen ließe sich in einem Satz zusammenfassen. Er sagt ihn, als er der Frau seines Lebens mitteilt, dass er eine andere heiraten wolle, damit er seiner Kunst weiter nachgehen kann. Der Satz ist einfach und beinhaltet alles. Er beginnt ihn mit „I brauch di!“. Doch das, was er im selben Atemzug ergänzt, ist die wesentliche Aussage: „… für das Bild“. Er braucht sie (nur) für das Bild. Für das Gemälde, dessen Arrangement auch auf der Leinwand von allen filmischen Bildern, die man in 120 Minuten zu sehen bekommt, am stärksten wirkt. Das Bild mit dem Titel „Tod und Mädchen“, das später Weltruhm erlangen wird und das dem Film und der Buchvorlage seinen Namen gibt.

Schiele gab dem 1915 entstandenen Gemälde zunächst den Titel „Mann und Mädchen“.

Dass die Schönheit des Gemäldes mit der Qual eines liebenden Menschen erkauft wurde, zeigt, wie grausam die Leidenschaft eines Menschen sein kann, der nicht nur für, sondern regelrecht aus der Kunst lebt. So erzählt der Film vor allem die Geschichte einer Leidenschaft, die vor nichts haltmacht, die für den Künstler lebensnotwendig ist und deswegen alles bis zum letzten Tropfen aufsaugt und alles zerstört, was ihr im Weg steht.

Die Momente, in denen Leidenschaft und Grausamkeit zum Vorschein kommen, sind denn auch die stärksten des ganzen Films. So zum Beispiel die Szene, in der sich Schiele von Wally verabschiedet. Oder diejenige, in der er seinem Gemälde, das ursprünglich „Der Mann und das Mädchen“ heißen sollte, seinen endgültigen Namen gibt.

Das sagt auch einiges über die Bildsprache des Films aus, die nicht sehr originell ist. Der Zuschauer sieht zwar schöne Aufnahmen – zum Beispiel aus Český Krumlov, wohin sich der Maler mit seinen Freunden der „Neukunstgruppe“ aus Wien zurückgezogen hatte. Die Kamerafahrten und Einstellungen überraschen jedoch kaum. Das oft nett anzuschauende Dekor ist leider nicht wirklich kreativ in Szene gesetzt. So bleiben die Nachstellungen von Schieles Gemälden die einzigen Aufnahmen, die wirklich unter die Haut gehen. Von einer Ulrich-Seidl-Produktion hat man mehr erwartet.

Dennoch zeigt Regisseur Berner, dass er sein Handwerk beherrscht. Das fällt durch die Musikauswahl, vor allem aber durch die Besetzung auf. Noah Saavedra und Valerie Pachner ist eine erfolgreiche Zukunft vorauszusagen (von Pachner spricht man sogar schon im Zusammenhang mit dem neuen Film von Terrence Malick). Insgesamt bringt Berners Streifen seine Botschaft an den Zuschauer und regt zum Nachdenken an. Der Kinobesuch lohnt sich.

Egon Schiele – Tod und Mädchen. Dieter Berner, AT/LUX 2016, 110 Minuten.
Kinostart: 7. Oktober 2016 (Österreich), 17. November (Deutschland), 10. November (Tschechien)

Bevor der Film in die tschechischen Kinos kommt, läuft er bereits beim Festival deutschsprachiger Filme „Das Filmfest“ in Prag (Samstag, 22. Oktober, 16 Uhr, Kino Atlas und Sonntag, 23. Oktober, 20.30 Uhr, Kino Lucerna) und Brünn (Montag, 31. Oktober, 19.30 Uhr, Kino Art)

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