„Die Beneš-Dekrete sind ein Zombie“
Kritik an Zeman, Lob für Nečas: Versöhnliche Töne auf dem Sudetendeutschen Tag
22. 5. 2013 - Text: Petr JerabekText: Petr Jerabek; Foto: sudeten.de
Der Name ist ein anderer, der Gegner aber bleibt: Für die Heimatvertriebenen ist der tschechische Präsident auch nach dem Stabwechsel auf der Prager Burg ein rotes Tuch. Vor einem Jahr hatte der oberste Repräsentant der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, auf dem Pfingsttreffen der Vertriebenen noch frohlockt: Es sei der letzte Sudetendeutsche Tag, an dem der Präsident Václav Klaus heißt. Der neue Präsident werde sicher „lockerer und unverkrampfter“ an die Dinge herangehen. Eine Hoffnung, die Miloš Zeman kräftig erschütterte. Und so richtete sich auch auf dem Sudetendeutschen Tag 2013 in Augsburg der geballte Zorn wieder gegen den Hausherren der Prager Burg.
Den Namen Zeman nahmen die Vertriebenen-Funktionäre lieber nicht in den Mund, doch die Kritik war deutlich. Es habe ihn „erschreckt, dass im tschechischen Präsidentenwahlkampf ungeniert aufs Neue die antideutsche Karte gezogen wurde“, schimpfte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Franz Pany. „Leider hat der Präsident auf dem Hradschin nicht erkannt, dass seine Argumentation von der Zeit überholt worden ist.“ Zeman hatte sich im Januar nicht zuletzt dank anti-sudetendeutscher Töne gegen Außenminister Karel Schwarzenberg durchgesetzt.
Posselt erinnerte zudem an Zemans Aussage, die Vertreibung sei immer noch besser gewesen als die Todesstrafe. Das seien „unglaubliche, vom Geist der Vergangenheit getragene Worte“. Die Beneš-Dekrete geißelte Posselt als „eine Art Zombie“: „Ob wir das wollen oder nicht, tauchen sie auf und verbreiten Angst und Schrecken. Wir haben das jetzt gerade im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf gesehen.“ Dieser Zombie müsse endlich begraben werden.
Kontrahenten wie Zeman steckt Posselt in die Kategorie der „national Beschränkten in der Tschechischen Republik“. Diesen stellt er die „aufgeschlossenen Tschechen“ gegenüber – wie den Filmemacher David Vondráček, der mit dem Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen ausgezeichnet wurde. Vondráček hatte mit seiner Dokumentation „Töten auf Tschechisch“ in seiner Heimat eine hitzige Debatte über die Vertreibung ausgelöst. Posselt würdigte den Journalisten als authentischen Filmemacher, der die Menschen in einer eindrucksvollen Bildsprache mit der Wahrheit konfrontiere, „ob es ihnen passt oder nicht“.
Zu den aufgeschlossenen Tschechen zählen die Sudetendeutschen aber auch Regierungschef Petr Nečas (ODS), insbesondere wegen seiner historischen Rede im bayerischen Landtag, in der er die Vertreibung verurteilt hatte. „Es war ein Zeichen der Solidarität, der Offenheit, des Auf-uns-Zugehens“, schwärmte Posselt und stellte Nečas in eine Reihe mit großen Europäern wie Konrad Adenauer und Alcide de Gasperi.
Geradezu als Heilsbringer feierten die Sudetendeutschen in Augsburg Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und ehrten ihn mit ihrer höchsten Auszeichnung, dem Europäischen Karls-Preis. Es sei Seehofers Verdienst, dass der Dialog zwischen München und Prag entstanden sei, betonte Posselt und lobte den Ministerpräsidenten als „Eisbrecher“ und „geduldigen Brückenbauer“.
Seehofer zeigte sich fest entschlossen, weiter Brücken nach Prag zu bauen. „Wir haben gemeinsam in kurzer Zeit viel erreicht, obwohl die Rahmenbedingungen ungeheuer schwierig waren“, sagte er. „Unser Ziel muss sein: weiter gehen, die neue Offenheit weiter ausbauen, Türen für die Zukunft weiter aufmachen.“ Zusätzliche Sympathien bei den Sudetendeutschen sicherte dem Ministerpräsidenten die Ankündigung, in Bayern einen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation einzuführen. „Vertreibung ist und bleibt Unrecht“, stellte Seehofer in Augsburg klar.
Noch stärker als in den Vorjahren prägten milde Töne das Vertriebenen-Treffen. Im Mittelpunkt stand der Wille zur Versöhnung und zur Verständigung – nicht einmal Kontrahent Zeman wurde davon ausgenommen. „Wir sind bereit, mit jedem den Dialog zu führen, und wir respektieren jeden Amtsinhaber, der gewählt ist. Und man kann sich auch ändern“, stellte Posselt klar. „Es ist mehr Freude im Himmelreich über einen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“