Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Rolle Deutschlands innerhalb der EU, zur Flüchtlingskrise, zu Schwarzenbergs Rückzug und zur Wahl in Weißrussland

13. 10. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Unselige Erfahrungen | Nach der Wochenzeitschrift „Echo“ wird Europa immer deutscher, denn „Deutschland ist in die Rolle des Hüters der europäischen Werte geschlüpft. (…) Es ist allerdings eine große Frage, wie lange die aktuelle ‚aufgeklärte’ Atmosphäre in Deutschland politisch anhält, wenn sie einmal auf die alltägliche Realität trifft. Die Wette auf die Lösung des demographischen Problems durch den ungeregelten Zustrom von Menschen aus der muslimisch-arabischen Welt kann sich bitter rächen durch eine Radikalisierung der Innenpolitik. Zudem haben wir mit deutschem ‚Social Engineering’ und demographischen Experimenten unsere unseligen Erfahrungen gemacht. (…) Wir haben schon den deutschen Euro, die deutsche Energiepolitik, deutsche Schwindeleien in der Autoindustrie und deutsche Bevölkerungsexperimente mit Einwanderern. Nun belehrt uns Deutschland, wie wir die europäischen Werte richtig zu verstehen haben. Was kommt als Nächstes?“

Visionen aus Brüssel gefragt | Die Tageszeitung „Právo“ sieht in der Flüchtlingskrise die Zeit davonlaufen: „Wer konnte sich vor einem Jahr vorstellen,  dass in weniger als Jahresfrist fast 300.000 Flüchtlinge nach Ungarn kommen und dass in Bayern Überlegungen aufkommen, sei es nur informell, einen Zaun an der deutsch-österreichischen Grenze zu bauen, was bedeuten würde, dass die Flut von Flüchtlingen auch nach Tschechien drängen würde. (…) Der Schlüssel zur Lösung der bislang ernstesten Sicherheitskrise in Europa muss auf gesamteuropäischer Ebene gesucht werden. Die Debatte über Quoten ist zweitrangig, denn Quoten ohne den Schutz der Schengengrenzen geben keinen Sinn. Vom Präsidenten der Europäischen Kommission Juncker wäre daher statt weiterer Einladung von Flüchtlingen nach Europa eher die Vision vom raschen Aufbau eines europäischen Grenzschutzes zu erwarten und von der Chefin der europäischen Diplomatie Mogherini eine Vorstellung, wie Europa im Syrienkonflikt vorgehen will, in den Russland auf rasante Weise eingegriffen hat.“

Düstere Aussichten | Das Wochenmagazin „Respekt“ kommentiert die Lage des rechten Spektrums nach dem Rückzug Schwarzenbergs: „Falls in diesem Jahr Parlamentswahlen stattfänden, würde die bürgerliche Rechte ihr Waterloo erleben. Die Zugpferde der nachrevolutionären Reformen, heute repräsentiert von ODS und TOP 09, bekämen nach den Meinungsumfragen zusammen weniger Stimmen als die Kommunisten. Dabei geht es nicht um momentane Ausschläge. Die Entwicklung der letzten zwei Jahre zeigt, dass eine würdige Vertretung derjenigen Strömung, die die politische Wende vom November 1989 am meisten symbolisiert, für die Wähler nicht zählt. Die bürgerlichen Demokraten balancieren die letzten zwei Jahre knapp an der Fünf-Prozent-Hürde und eine Verbesserung will sich trotz des Wechsels an der Spitze nicht einstellen. TOP 09 fiel in einem Jahr von zwölf Prozent auf sechs und muss auch um den Einzug ins nächste Parlament fürchten.“

Unerschütterliche Stabilität | Die „Hospodářské noviny“ glossiert die weißrussischen Wahlen: „Alexander Lukaschenko hat entschieden, zum fünften Male Präsident Weißrusslands zu werden, und am Wochenende ließ er sich das von den dortigen Wählern formal absegnen. Diese Wahlen frei zu nennen erlauben sich nicht einmal die tschechischen Kommunisten (…), aber auch die Uneinigkeit der Opposition spielt Lukaschenko in die Hände. Die konnte sich erneut nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. (…) Weißrusslands Stabilität, gestützt durch billiges russisches Gas und zugekniffene Augen der europäischen Politiker, die Lukaschenko für seine Vermittlungsrolle im Ukraine-Konflikt dankbar sind, scheint unerschütterlich zu sein.“

Historisch bestes Ergebnis | Die Tageszeitung „MF Dnes“ bemerkt zum Wahlausgang in Wien: „Die Sozialdemokraten haben ihre besten Zeiten hinter sich. Auch wenn die populistische FPÖ Zweiter wurde, kann sich ihr Anführer Heinz-Christian Strache als einer der Sieger fühlen. (…) Die FPÖ nutzt natürlich das Thema der Immigration aus, auf die Österreich und besonders Wien schon lange Zeit schimpfen. Auch das brachte ihnen in der Wahl über 32 Prozent der Stimmen ein, ihr historisch bestes Ergebnis in der Hauptstadt. Eine andere Sache ist, dass (…) Strache gewiss in Erinnerung hat, dass die letzte Regierungsbeteiligung der FPÖ vor acht Jahren mit dem Kampf ums politische Überleben und der größten Wahlschlappe in zwei Jahrzehnten endete. Die antisystemische Opposition funktioniert eben nur so lange, wie sie in der Opposition ist.“