Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Verstärkung der Nato-Präsenz, zum neuen Präsidenten der Ukraine, zur Entwicklung der EU und zum Verhältnis zwischen Russland und China

11. 6. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach; Bild: APZ

 

Inkompetente Regierung | Das Wochenmagazin „Respekt“ vermisst einen klaren Regierungskurs und führt als eines der Beispiele die Aussage von Premierminister Sobotka an, Tschechien werde „nicht zu den Ländern gehören, die eine Verstärkung der Militäreinheiten der Nato in Europa fordern werden“. Dieses Statement, so „Respekt“, „erregte nicht nur bei uns Aufsehen, sondern auch im Ausland. Wenn wir dazu noch das Auftreten von Andrej Babiš hinzunehmen, der wohl jede Woche das Regierungsprogramm ändern möchte, und die unerwartete Bereitschaft der Regierung, die tschechische Kultur zu begraben, wirkt die heutige Regierung nicht gerade kompetent.“

Bild ohne Glanz | Der Prager „Lidové noviny“ gefällt es nicht, dass Tschechien bei der Inauguration des neuen Präsidenten der Ukraine, Petr Poroschenko, nur durch seinen Außenminister vertreten war. „Gewiss, eine Tragödie ist das nicht. Die Ukrainer haben höflich erklärt, dass sie darin kein Problem sähen, und vielleicht werden sie uns in Zukunft nicht einmal daran erinnern. Sofern wir dies jedoch dem Mosaik weiterer diplomatischer Fehltritte der jetzigen tschechischen Regierungsgarnitur hinzufügen – sei es die Verneigung vor China, sei es die kürzlich erfolgte Ablehnung amerikanischer Soldaten durch Premier Sobotka – so bleibt nur festzustellen, dass das Bild Tschechiens in der zivilisierten Welt an Glanz verliert.“

Keine gute Nachricht | Die „Hospodářské noviny“ sieht schwere Zeiten auf Europa zukommen. „Die Immigration – oder, wenn man will, das Verhältnis von Demografie und Demokratie – ist zu einem bedeutenden politischen Problem geworden. Falls die europäischen Eliten keine Lösung anbieten, steigt das Risiko, dass die Politik der Angst und der Abschottung (…) an Kraft gewinnt. Letztlich kann dies auch den freien Personenverkehr in der EU bedrohen. (…) Wird sich die EU weiter ausdehnen? Für die Stabilität auf dem Balkan wäre das sicher erforderlich, vor allem nach der Aufnahme Kroatiens. Bloß dass drei Viertel der Deutschen und Österreicher das ablehnen, ebenso wie 70 Prozent der Franzosen, Belgier oder Niederländer. Eine Erweiterung lehnt schließlich auch eine absolute Mehrheit der Tschechen ab (51 Prozent). Das ist auch für die Ukraine keine gute Nachricht, die sich in den Präsidentschaftswahlen für eine europäische Zukunft entschieden hat.“

Kopf in der Schlinge | Das Wochenmagazin „Ekonom“ versucht unter der Überschrift „Wenn der Drache den Bären umarmt“ Besorgnisse wegen eines möglichen chinesisch-russischen Zusammengehens zu zerstreuen, denn „in vielerlei Hinsicht ist es China, das am längeren Hebel sitzt. (…) Die Chinesen sind nicht dumm und werden so tun, als ob eine eventuelle Allianz mit Moskau ein Bündnis unter Gleichen wäre. Aber zu glauben, dass sie es zulassen werden, von Moskau ebenso energieabhängig zu werden wie die Europäer, ist naiv. Und bei der Zusammenarbeit im Bereich der Rüstung wird es eher um den Transfer russischen Know-hows nach China gehen. Ein gemeinsamer russisch-chinesischer Rüstungskomplex wird nicht entstehen. Die Agenda einer etwaigen Allianz wird zweifellos Peking bestimmen. Das muss auch den Strategen in Moskau klar sein, so dass es letzten Endes zu einem engen Bündnis gar nicht kommen muss. Sollten die Russen den Kopf in die Schlinge stecken, wird es am ehesten noch interessant sein zu verfolgen, wie sie sich in der neuen Situation zurechtfinden. Es wird für sie eine völlig neue Erfahrung sein. Sie sind Meister darin, kleinere Völker in ihrer Umarmung einzuschnüren. Jetzt aber werden die Russen selbst die kleinere Nation sein.“