Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Prager Steuerpolitik, zu den Gehältern der Abgeordneten, zur Rede des Papstes vor dem EU-Parlament und zur Kriegsflotte Russlands

4. 12. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Einfacher Dreisatz | Die Prager „Lidové noviny“ glossiert das Bemühen der Finanzbehörden, durch Änderung der Vorschriften über den Firmensitz einige Hundert Millionen Kronen an Steuern mehr einzunehmen: „Wenn sich auf einmal die künstlich angesiedelten Firmen aus den kleinen Steuerparadiesen vertreiben lassen, ist das sehr schön. (…) Aber wir haben an das Finanzministerium eine andere Frage: Vor acht Jahren zahlten die Gewerbetreibenden 26 Milliarden Kronen an Einkommensteuern, letztes Jahr nur 2,6 Milliarden. Die abhängig Beschäftigten führten 110 Milliarden ab, 2013 dann 126 Milliarden. Hier liegt doch etwas ernstlich im Argen, scheint Ihnen das nicht auch so? (…) Nach einfachem Dreisatz müssten die Gewerbetreibenden statt 2,6 jetzt 30 Milliarden zahlen. Herr Minister, Herr Premier: Wo bleiben die 27 Milliarden?“

Großkopferten einst und jetzt | Die Abgeordnetenvergütungen sind immer wieder ein beliebtes Thema, so auch für die Tageszeitung „MF Dnes“: „Das ist doch eigentlich großartig, dass wir uns schon ein Vierteljahrhundert über die Gehälter unserer Politiker streiten können. Die kommunistischen Großkopferten haben uns dieses Steckenpferd nie gegönnt. Und so streiten wir uns halt. (…) Mögen die Politiker doch zugreifen. Aber sie sollten, bitte, Fragen des Charakters und der Moral nicht in die Debatten hineintragen. Man könnte sonst wirklich denken, dass über ihre Ehre Tausendkronenscheine entscheiden.“

Ruf nach Alternativen | Das Wochenmagazin „Respekt“ fragt mit Blick auf den Auftritt von Papst Franziskus vor dem EU-Parlament: „Warum dort und warum gerade jetzt? Eine Erklärung ist, dass der Papst seine sorgfältig vorbereitete Rede in dem Moment vorträgt, wo die EU die wachsende Gefahr der islamistischen Radikalen durchlebt, die auch zu Tausenden von hier nach Syrien und in den Irak reisen. (…) Der Papst rief in Straßburg nach Alternativen, welche die Frustration aus wirtschaftlichen Misserfolgen, übertriebenem Konsum und übertechnologisierter Gesellschaft ersetzen könnten durch eine friedliebendere Spiritualität. Der Text achtet sehr darauf, dass die Botschaft nicht im Sinne einer Erneuerung des Christentums gegen den problematischen Islam ausfällt. Sympathisch ist vielmehr, dass er zu einem breiteren Verständnis des Geistigen einlädt, zu einem sensibleren Verhältnis zur Natur und allgemein zur Achtung des Lebens (…).“

Sehr gaullistisch | Das Wirtschaftsblatt „Ekonom“ kommentiert das Aussetzen der Lieferung des ersten von zwei technologisch hochgerüsteten Kriegsschiffen an Russland, deren Bau noch unter Präsident Sarkozy mit Moskau vereinbart worden war. Der offiziellen Verlautbarung des Élysée sei zu entnehmen, dass Präsident Hollande „den Eindruck erwecken will, dass noch nicht alles verloren ist. Der Lieferstopp, der Tausende von Arbeitsplätzen betrifft, bedeutet nicht nur einen schweren Schlag für die Rüstungsindustrie, sondern wird vor allem negative soziale Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Region haben, wo die Schiffe gebaut werden. Und nicht zuletzt auch auf den Ruf Frankreichs, wie ein Teil der konservativen Rechten bemerkt. (…) Für die französische Rechte ist das bisherige Vorgehen des Präsidenten Ergebnis ‚schlechter Führung’. Sarkozy, der den Vertrag vereinbarte, meint, dass Frankreich seine Verpflichtungen erfüllen sollte. (…) Nach ihm ist ‚Russland ein natürlicher Partner Frankreichs’. (…) Sarkozys Erklärungen klingen sehr, sehr gaullistisch. ‚Wir sind ein souveränes Land, und als solches müssen wir uns verhalten. Wir können nicht einfach nachgeben, wenn sich das die Engländer oder Amerikaner wünschen’, ließ er sich vernehmen.“