Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Durchfahrt der russischen Motorrad-Rocker, zu EU-Subventionen und zum Genozid an den Armeniern

29. 4. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Provozierende Fahrt | Die Prager „Hospodářské noviny“ glossiert die Motorradfahrt der russischen „Nachtwölfe“ und das Lavieren der tschechischen Regierung: „Aus Moskau starteten zwanzig von Putins Motorradfahrern. Ursprünglich wollte sich die tschechische Regierung mit der provozierenden Fahrt befassen, die sich als eine Feier des Sieges der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg ausgibt. Premierminister Sobotka sagt aber nun, dass es dazu keinen Grund gebe. Tschechien verlässt sich darauf, dass die Motorradfahrer gar nicht erst durch Polen kommen. Wenn doch? ‚Dann müssen sie eine Erlaubnis der Behörden erhalten und die tschechischen Gesetze einhalten’, sagte der Premier. Das klingt ziemlich anders als die Verlautbarung der deutschen Ministerien für Äußeres und Inneres, dass die Behörden ‚das Recht und die Pflicht haben, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Risiken angemessen zu begegnen, einschließlich der Verweigerung der Einreise nach Deutschland’. Aber immerhin wenigstens etwas. Und die Polen werden die Angelegenheit wohl tatsächlich für uns erledigen.“

Prekäre Situation | Die Wochenzeitschrift „Respekt“ schaut auf das drohende Debakel mit den europäischen Fördertöpfen: „Die Realität hat also Andrej Babiš eingeholt und mit ihr die Erkenntnis, dass der Staat keine Firma ist, sondern eine komplizierte Struktur, in der ein möglicher Fehler keinen klaren Schuldigen haben muss. Politik ist ein riskantes Geschäft, in dem jeder ein wenig schlecht dasteht, und die Fragezeichen hinsichtlich der Auswahl des Monitoring-Systems geben davon beredtes Zeugnis (…). Wir werden sehen, wie Babiš mit der neuen Realität zurechtkommt. Das Ergebnis wird schließlich auch für Babišs Konzern Agrofert wichtig sein, der jährlich aus Brüssel Subventionen von zig Milliarden Kronen erhält.“

Keine Bedrohung | Die „Lidové noviny“ schaltet sich in die Diskussion um den Genozid an den Armeniern ein: „Die Problematik des Völkermords spiegelt sich auch in den Auseinandersetzungen über die Strafbarkeit der Auschwitz-, der Armenien- oder anderer Lügen. Eine liberale Demokratie, die die Freiheit des Wortes wertschätzt, sollte mit Strafen für Lügen zurückhaltend sein. Es hat Sinn, die Auschwitz-Lüge zu bestrafen, und zwar dort, wo ‚es geschah‘ und wo noch Menschen mit eintätowierten Nummern leben. Aber auch deswegen, weil sich Juden weiterhin in der Rolle der Bedrohten befinden, wie es sich in Toulouse, Brüssel, Paris, Kopenhagen … gezeigt hat. Doch bei allem Respekt vor der Million Opfer des Völkermords an den Armeniern, vor den zwei Millionen Opfern der Roten Khmer oder vor der Million ermordeter Tutsi, – diese Gruppen sind heute kein Ziel der Bedrohung. Und bei aller Kritik gegenüber der Türkei, dieser Staat hat diplomatische Beziehungen mit Armenien aufgenommen und stellt für das Land keine existenzielle Bedrohung dar. Wir sollten von der Türkei fordern, über das Morden vor 100 Jahren und über ihre Schulbücher nachzudenken, aber wir müssen nicht die Strafbarkeit der armenischen Lüge ausrufen.“