Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zu 10 Jahren EU-Beitritt, der Krise in der Ukraine und dem Besuch von Bundespräsident Gauck in Prag

7. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: APZ

Schaumschlägerei | Die Tageszeitung „Právo“ sieht sich in ihrer Erwartung enttäuscht, Präsident Zeman werde zum 10. Jahrestag des EU-Beitritts mit einer Grundsatzrede zu Fragen der EU aufwarten. Zwar habe er dazu „schließlich allerlei gesagt, aber bloß in Reaktion auf eine Umfrage eines Nachrichten-Servers, und das ist zweifellos schade“, zumal dort neben ihm „der Politrentner Klaus an die Adresse der EU brummelte.“ Zemans vernehmlichste Äußerung in Richtung Brüssel „war somit letztlich sein Spruch vom ‚Solarwahnsinn’“, verbunden mit seinem Eintreten „für die Zukunft der Kernenergie“. Auf diese Weise nutze der Präsident „wiederholt seine Stellung (…) zur Verbreitung von Ansichten, die entweder wegen ihrer Radikalität oder wegen seiner Nichtzuständigkeit für die angesprochenen Themen am Ende nur eine unbedeutende Schaumschlägerei sind.“

Gelenktes Chaos | Das Wochenmagazin „Respekt“ vermisst zur Krise um die Ukraine einen klaren Standpunkt der Tschechen. Denn aus Meinungsumfragen „ergebe sich als einzig möglicher Schluss: In diesem Konflikt (…), der unter anderem auch ein Konflikt zwischen liberaler Demokratie und Diktatur ist, lehnt es die Mehrheit der Leute ab, Position zu beziehen. (…) Es ist höchste Zeit sich zu vergegenwärtigen, dass die Ereignisse in der Ukraine auch alles bei uns daheim ändern. Verwirrung im Kopf, Gleichgültigkeit oder sogar Gehässigkeit gegenüber dem Westen, die früher eine Art Nationalsport waren, unterstützen heute wohl oder übel Putins Doktrin des ‚gelenkten Chaos’. Die Politiker sollten die ersten sein, die diese Gefahr erkennen und der tschechischen Öffentlichkeit helfen, wenigstens in der grundlegenden Frage nach Freiheit und Unfreiheit, Verbündeten und Gegnern möglichst rasch Klarheit zu gewinnen.“

Nicht vorbereitet | Die „Wirtschaftszeitung“ glossiert die Einrichtung einer Kommission zur Alterssicherung: „Neue Regierung, neue Kommission für das Rentenproblem. Es gibt Sicherheiten, die sich nicht ändern, und dazu zählte in den letzten Jahren auch, dass das, was eine Rentenkommission vorschlug, von der Regierung verändert oder gleich verworfen wurde. (…) Daran, dass die geläufigen Rentensysteme nicht in der Lage sein werden, den Rentnern ein ‚qualitativ vollwertiges Leben’ zu sichern, gibt es nichts zu zweifeln. (…) Einstweilen gibt es nirgends auf der Welt andere Empfehlungen als eine Kombination verschiedener Finanzquellen, Verlängerung der Lebensarbeitszeit und verbesserte Sozialfürsorge. Es geht nur darum, wie die neue Regierungskommission das kombiniert und wie lange ihre Empfehlungen vorhalten. Jedenfalls lautet die Antwort auf die Frage, ob wir auf die Alterung der Gesellschaft vorbereitet sind: nein.“

Gemeinsamer Traum | Die Tageszeitung „MF Dnes“ erinnert aus Anlass des Besuchs von Bundespräsident Joachim Gauck daran, dass sich in diesem Jahr der Exodus ostdeutscher Flüchtlinge über die Prager Botschaft in die Bundesrepublik zum 25. Male jährt. „Vielleicht kommt beim Besuch des Präsidenten Gauck die Rede auch auf den deutschen Wunsch, das Lobkowicz-Palais, den Sitz der Botschaft, vom tschechischen Staat zu kaufen. (…) Mancher mag sagen, seien wir gegenüber den Deutschen und ihrer Geschichte doch entgegenkommend. Aber handelt es sich nur um die deutsche Geschichte? Ist es nicht vielmehr die gemeinsame Geschichte, die uns überraschenderweise einander annähert und allmählich die Schatten der älteren Geschichte wegwischt? Der Traum von der deutschen Wiedervereinigung ist nämlich gleichzeitig der Traum von der Freiheit, vom Fall des Eisernen Vorhangs, vom Ende des totalitären Regimes, und dieser Traum ist ein gemeinsamer deutsch-tschechischer. Die über Prag flüchtenden Deutschen öffneten allen den Weg nach Westen: den Tschechen, den Slowaken und den Polen.“