Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zum vorläufigen Stopp des AKW-Ausbaus in Temelín, zu den Absichten Putins und über den geplanten Bau einer Brücke in Kolín

16. 4. 2014 - Text: PZText: PZ

Größte Dummheit | In der Tageszeitung „MF Dnes“ kommentiert der bekannte Kernphysiker František Janouch die Entscheidung des Energieriesen ČEZ, die Erweiterung des Kernkraftwerks Temelín abzublasen: „Die Annullierung der Ausschreibung zum Bau weiterer Blöcke ist die größte Dummheit, die ČEZ – offenbar mit stiller Billigung unserer Regierung – begehen konnte. Die zweifelhaften Experimente, die unser großer westlicher Nachbar im Energiebereich durchführt, müssen notwendig (…) über zehn- bis fünfzehn Jahre zur spürbaren Energieknappheit in Europa führen. Ich muss die Frage stellen, ob unsere Regierung von ihrem Anteil von siebzig Prozent an ČEZ Gebrauch macht. Die Skandale, die ČEZ schon seit Jahren begleiten (…), zeugen eher vom Gegenteil.“

Kein gutes Ende | Die „Hospodářské noviny“ macht sich mit Blick auf die Ukraine Gedanken über die Putin’schen Absichten: „Putin geht es nicht um den östlichen Teil der Ukraine. Er will das ganze Land unter seinen Einfluss bringen und es so einrichten, dass ihm sein Abenteuer zu einem großen Teil der Westen bezahlt und dass er mit dem Westen außerdem über das Schicksal der kleinen Länder ohne deren Wissen verhandelt. Vieles spricht dafür. (…) Mit der Besetzung der östlichen Ukraine würde sich der Kreml eine riesige wirtschaftliche Last ans Bein binden. Wenn es auch um die am höchsten industrialisierten Gebiete der Ukraine geht, so ist ihr größter Teil doch von Kiew subventioniert. Der Kreml müsste das ersetzen. Hinzu kämen die westlichen Sanktionen. (…) Falls der Westen sich nicht kompromittieren will, kann er darauf nicht eingehen. Und die Putin’sche Kriegsrhetorik kann ihn schließlich zu einer militärischen Aktion drängen, auch wenn er das eigentlich nicht will. Unerfüllte Versprechen über den Schutz der Russen im Ausland könnten nämlich die Menschen in Russland so verstehen, dass Putin ein schwacher Herrscher ist. Und die nahmen in der russischen Geschichte oft kein gutes Ende.“

Ein Schildbürgerstreich | Die Literaturzeitung „Literární noviny“ amüsiert sich über ein Brückenprojekt in Kolín an der Elbe: „Übrigens, Ingeborg Grässle war in Tschechien als Mitglied einer Delegation, welche die Nutzung der Europäischen Fonds kontrolliert. Sie sagte, solche Betrügereien habe sie noch nicht gesehen. Die Rekonstruktion einer Brücke in Kolín geriet zu einer sehr beliebten Illustration: Sie war nämlich deutlich teurer als der Bau einer mehr als dreimal so langen Brücke in Deutschland, und das unter anderem deswegen, weil es eine Hebebrücke sein sollte, sodass bis zu sieben Meter hohe Schiffe hindurchfahren können. Aber solche Schiffe fahren dort nicht und können weder jetzt noch in Zukunft dort fahren – sie passen nämlich nicht unter die Brücken der Nachbarstädte. Es wäre allerdings ein tolles Stück, nun ein Schiff zu bauen, das nur unter der neuen Brücke hin und her fahren würde.“

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