Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zum abgelehnten Amazon-Lager in Brünn, zum Wahlverhalten auf dem Land und zum Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Kuba

19. 2. 2014 - Text: PZText: PZ

Schwierige Verhandlungen | Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ kommentiert die Entscheidung der Brünner Stadtverwaltung gegen den Bau eines Amazon-Lagers: „Das Angebot von Amazon ist im Prinzip klar und übersichtlich. (…) Aus Sicht der Vertreter der Stadt zählt jedoch, dass die Argumente, die uns von außen betrachtet eindeutig positiv erscheinen, immer noch die potenziellen Verluste aufwiegen müssen, welche die Investition mit sich bringen. Und hier greift eine gegensätzliche Sichtweise: Das, was in Prag als unwesentliche, lösbare Belanglosigkeit erscheint, zum Beispiel die Sorgen um die Verkehrssituation, kann direkt vor Ort die Lebensqualität dramatisch beeinträchtigen. (…) Tschechien ist durch seine Lage in der Mitte Europas für den Bau eines Logistikzentrums vorbestimmt und kann bei Verhandlungen mit Firmen wie Amazon bis zu einem gewissen Grad die Bedingungen diktieren. (…) Für die politischen Vertreter einer so großen Stadt ist es nicht einfach, mit einem globalen Konzern zu verhandeln, deshalb sollten sie gehörige Hilfe erhalten. Es ist sicherlich besser, wenn der Staat, zum Beispiel durch CzechInvest, den Selbstverwaltungen sein Know-how darüber zur Verfügung stellt, wie man etwas vereinbart und was man tatsächlich erreichen kann, als wenn die örtlichen Vertreter aus dem Mund des Staatsoberhauptes im Nachhinein als Dummköpfe bezeichent werden.“

Politische Verbündete | Die Protestpartei ANO könnte auf dem Land Erfolg haben, meint die „Lidové noviny“: „Tschechien weist eine politische Anomalie auf. Während in den umliegenden Ländern die Metropolen links wählen und das Land konservativ, ist es bei uns umgekehrt. Wie lange hält diese Anomalie an? So lange der konservative Aristokrat Schwarzenberg die Liberalen in den Städten anziehen wird? Vielleicht; es entwickelt sich aber auch ein neuer Trend auf dem Land, das bisher ČSSD wählte. (…) Wenn Sie einen Grund suchen, weshalb Gazdíks Bewegung „Starostové a nezávislé“ („Bürgermeister und Unabhängige“) mit der ANO-Partei von Babiš zusammenarbeiten kann, finden Sie ihn darin: Gazdík will als derjenige auftreten, der dem Land Einfluss und Geld bringt. Dafür hatte er seinen politischen Verbündeten Kalousek. Und nun, da Kalousek nicht mehr im Finanzministerium sitzt? Da wird Gazdík seinen Babiš haben. Babiš ist nicht Gazdíks politischer Verbündeter, aber er hat ein Gefühl dafür, was das Land fordert. (…) Die Vorstellung, dass die tschechische Landbevölkerung an Stelle der ČSSD Babiš wählen wird, ist ziemlich realistisch.“

Zuckerbrot statt Peitsche | Die Wochenzeitschrift „Res­pekt“ kommentiert die Ankündigung der Europäischen Union, mit dem kubanischen Regime über eine Verbesserung der Beziehungen zu verhandeln: „Als die Europäische Gemeinschaft im Jahr 1996 ihre wirtschaftlichen Gespräche mit Kuba abgebrochen hat, wurde gewöhnlich ein Gleichheitszeichen zwischen den Begriffen westliche Demokratie und Wohlstand gesetzt. Heute wissen wir jedoch vor allem dank Chinas Aufstieg, dass man auch in prosperierenden Staaten mit freiem kapitalistischen Wettbewerb (…) eine sehr strenge Diktatur aufrechterhalten kann. Deshalb muss Europa das, was es mit der Peitsche nicht erreicht hat, mit Zuckerbrot versuchen: Partnerschaftliche Beziehungen mit dem totalitären Kuba beginnen bereits Realität zu werden und man sollte ihre Existenz ausnutzen, um weiteren politischen Druck auszuüben, damit in Kuba Freiheiten eingeführt werden. Tschechien sollte dabei nicht nachlassen, Dissidenten und ihren Familien konkret zu helfen, denn diese müssen weiterhin spüren, dass sie nicht vergessen werden.“

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