Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zur neuen Regierung, zur Lage der ODS und die Friedenskonferenz für Syrien

22. 1. 2014 - Text: PZText: PZ

Unzufriedene Bürger | Die neue Regierung habe bereits vor ihrer Ernennung zu einer ersten Sensation geführt, schreibt das Wochenmagazin „Týden“: „Einer Umfrage (…) zufolge ist ein ganzes Drittel der Tschechen mit dem Ausgang der Koalitionsverhandlungen unzufrieden, nur ein Drittel zufrieden. Auf ein so grundlegendes Ergebnis der Parlamentswahlen (…) gab es hierzulande noch nie eine so unsichere Reaktion der Bevölkerung (von der ein Drittel nicht einmal weiß, was sie denken soll). Das ist mit Sicherheit eine Sensation. Aber eine, die jeden Menschen – und jeden Premierminister – zwangsläufig eher erblassen lässt.“

Slowakisches Vorbild | Mit dem Amtsantritt der neuen Regierung könnte sich die tschechische Europa-Politik ändern, glaubt der Kommentator der Wochenzeitung „Respekt“: „Wenn der nächste Außenminister Lubomír Zaorálek heißt, kann man erwarten, dass er eine völlig neue Linie vertreten wird. Tschechien wird wahrscheinlich nach slowakischem Vorbild ein loyales und weniger sichtbares Mitglied der Meinungsmehrheit in der Union werden. Über Zaorálek ist nicht bekannt, dass er die übereilte Entwicklung in der Europäischen Union in irgendeiner Weise genauer verfolgt oder sich dazu geäußert hätte. Hoffnung kann man dagegen auf Petr Drulák setzen, der Zaoráleks Stellvertreter werden soll. Drulák kennt nicht nur die gegenwärtige Problemlage der Union, aus seinen Texten und öffentlichen Auftritten lässt sich auch lesen, dass er einen gewissen ,Havelschen‘ Idealismus in der Europa-Politik fortsetzen könnte.“

Praktisches Problem | Die „Hospodářské noviny“ schreibt über den Wechsel an der Spitze der Demokratischen Bürgerpartei: „Der Vorsitzende Petr Fiala trat (…) nicht als begeisternder Anführer auf. Am Imagewandel vom Akademiker zum politischen Anführer arbeitet er zwar, aber seine Sprechweise und Gestik gehören noch immer eher an einen Lehrstuhl als auf eine Versammlung oder ins Parlament. Das ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern vor allem ein praktisches. Die ODS hat niemanden, der „der böse Mann“ der Opposition werden könnte (…). Die Nummer eins als Kritiker der Regierung von Sobotka und Babiš wird weiterhin Miroslav Kalousek von der Konkurrenzpartei TOP 09 sein.

Schwierige Umsetzung | Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ beschäftigt sich ebenfalls mit der Zukunft der ODS: „Ein Interesse der Wähler an einer modernen rationalen Rechts-Partei gibt es und es ist möglicherweise größer als man glaubt. Wenn es die ODS nicht nährt, wird den rechten Raum jemand anderes einnehmen. (…) Das Problem der ODS in den vergangenen zehn Jahren liegt nicht darin, dass sie Regierungsthemen nicht erkannt hätte (…), sondern darin, dass sie die Gunst der Öffentlichkeit verschwenderisch vergeudet hat. Heute festzustellen, wie man vernünftig regieren soll, ist nicht schwierig. Schwierig ist, es auch umzusetzen.“

Verspätete Konferenz | Die „Lidové noviny“ glaubt, dass die Friedenskonferenz für Syrien zu spät kommt: „Hat sie einen Sinn, wenn sich die syrische Opposition erst nach drei Jahren daran beteiligt? Wenn sie 2011 stattgefunden hätte, dann hätte die Chance bestanden, die einzelnen Akteure zu erkennen, diejenigen, die gegen eine säkulare Diktatur rebellieren, von denen abzugrenzen, die ein sunnitisches Kalifat anstreben. (…) So sehr wir auch das Blutvergießen bedauern: Bevor wir zwischen den Parteien wählen, ist es besser, auf die Sicherheit Baschar al-Assads zu setzen. Und dieses Ergebnis spielt Russland und Iran in die Karten, die genau das von Anfang an behauptet haben. Die Friedenskonferenz gibt ihnen einen Stempel darauf.“

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