Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zum Multimilliardär Babiš, zum Streit um das Restitutionsgesetz, zur EU-Abkehr der Ukraine und den Wandel der deutschen SPD

27. 11. 2013 - Text: PZText: PZ

Angst vor Babiš | Das Wochenmagazin „Respekt“ sorgt sich um die Machtkonzentration in der Hand des Multimilliardärs und Vorsitzenden der Bewegung ANO, also des mutmaßlichen künftigen Finanzministers Andrej Babiš, nachdem er einen der größten Medienkonzerne, MAFRA, mit drei großen Tageszeitungen gekauft hat und nun auch Appetit auf Rundfunkveranstalter zeigt: „Es ist höchste Zeit, sich der Konzentration von Wirtschafts-, Medien- und politischer Macht zu erwehren. Wenn wir eine Behörde haben, die uns davor schützt, dass jemand zu viele Bäckereien besitzt, sollte sie uns nicht auch vor unkontrollierbarem Einfluss schützen? (…) Jetzt sind wir an dem Punkt, eine Antwort darauf zu finden, (…) wie eine Babišisierung Tschechiens zu verhindern ist.“

Stolperstein Restitution | Das Online-Magazin „Česká pozice“ urteilt, der Chef der Sozialdemokraten Sobotka, inzwischen vom Präsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt, habe sich bei seinem Gespräch mit Kirchenvertretern über eine Revision des Restitutionsgesetzes blamiert: „Der Bumerang des Wahlversprechens, er werde die Restitution der Kirchengüter zurückstutzen, bedroht jetzt Sobotkas Kopf. Er konnte das Thema nicht ignorieren, obwohl er als ausgebildeter Jurist sicher ahnte, dass er wohl in einer Falle landet. Theoretisch ließe sich das Restitutionsgesetz wahrscheinlich ändern, doch die Restitutionen sind nun schon im Gange: Die Kirchen reichen ihre Rückgabe-Anträge ein und erwarten in Kürze die erste Rate der 59 Milliarden Kronen für das zurückbehaltene Eigentum. Das lässt sich schon nicht mehr aufhalten. (…) Den ‚Krieg‘ um die Restitutionen wird Sobotka nicht gewinnen. Und gewiss wird es schwer sein, das seiner Partei und einem Teil seiner Gönner zu erklären.“

Ukraine: Enttäuschende Kehrtwende | Die Tageszeitung „Lidové noviny“ nennt die „Kehrtwende der Ukraine nach Osten, oder besser ihre Nicht-Zuwendung zum Westen“ eine „Enttäuschung nicht zuletzt für die Vertreter der EU“ und fragt, wie sehr die EU das selbst verschuldet habe. „Die Unterhändler der EU haben sich bemüht; das kann man ihnen nicht abstreiten. Vielleicht wäre in Kiew die Stimme der deutschen Kanzlerin oder des französischen Präsidenten besser angekommen. Möglich auch, dass es taktisch unangebracht war, auf der Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Timoschenko zu bestehen, womit sich die EU letztlich selbst eine Falle stellte. Aber nichts davon war entscheidend. Gegen die „weiche Erpressung“, wie das russische Vorgehen bezeichnet wurde, hätten Korrekturen dieser Forderungen nichts ausgerichtet. Denn auch hier gilt Clintons Wort ‚The economy, stupid‘.“

Ukraine: Tschechien hatte Glück | Das Wochenmagazin „Respekt“ gewinnt dem noch etwas Positives ab: „Der Verlauf dieser großen geopolitischen Schlacht zeigt, welches Glück die ehemaligen sowjetischen Satelliten einschließlich Tschechiens hatten, dass sie den EU-Beitritt noch zu einer Zeit schafften, als die russische Macht-Doktrin noch nicht so aggressiv war und Putin sich im Kreml noch in der Aufwärmphase befand. Wer weiß, wie die EU-Erweiterung ausginge, wenn sie sich statt 2004 heute abspielte.

SPD wandelt sich | Die Literaturzeitung „Literární noviny“ sieht die politische Szene in Deutschland in Bewegung: „Die Sozialdemokraten kokettieren mit der äußersten Linken, die liberalen Freidemokraten gelangten selbst als Regierungspartei nicht ins Parlament, die Grünen gelten schon nicht mehr als gesetzte Partner der SPD. In dieser Situation kann man sich alle möglichen Entwicklungen vorstellen, gleichwohl bemüht sich die SPD weiterhin in die Mitte auszugreifen und ‚verwaiste‘ Wähler der Freidemokraten einzusammeln. Für die Wahlen im Jahre 2017 will sie sich deshalb als ‚soziale und liberale‘ Partei präsentieren und dabei so tun, als sei das kein Widerspruch. Eine Koalition mit der antikapitalistischen Partei Die Linke abzuschließen, dürfte aber umso schwerer fallen.“

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