Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zur krisengebeutelten ČSSD, dem Exporterfolg Deutschlands und der Sturmkatastrophe auf den Philippinen

13. 11. 2013 - Text: PZText: PZ

 

Zurechtgestutzte Putschisten | Nachdem der Vorsitzende der Sozialdemokraten Sobotka seine innerparteilichen Gegner am Sonntag auf der Sitzung des Zentralen Exekutivkomitees (ÚVV) der Partei niedergerungen hat, sehen die meisten Kommentatoren darin noch keinen endgültigen Sieg. Nach Meinung der „Mladá fronta Dnes“ setzt Sobotka seine politische Zukunft nun ganz auf die Regierungsbildung: „Große Zugeständnisse kann Sobotka seinen Partnern nicht anbieten. Ebenso kann er nicht darauf verzichten, die Regierung zusammenzustellen. Eine schwierigere Ausgangssituation zum politischen Verhandeln ist wohl kaum vorstellbar.“ Sobotka habe sich der Verantwortung für das magere Wahlergebnis noch nicht entledigt, sie nur aufgeschoben. Das Blatt sieht ferner in der Sozialdemokratie die einzige mögliche Stütze für den potenziellen Einfluss des Präsidenten, weshalb dessen Neigung nicht verschwinde, sich in die inneren Angelegenheiten der ČSSD einzumischen. „Damit muss Sobotka rechnen. Die ehemaligen Putschisten, jetzt zurechtgestutzt, rechnen damit gewiss ebenso.“

Amerikanisches Wunschdenken | Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ kommentiert den Streit zwischen den USA und Deutschland um die deutschen Exportüberschüsse: „Gerade das schwache Wachstum der Löhne ist der Hauptgrund dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im europäischen und globalen Maßstab in der letzten Dekade so gestiegen ist. Es war nicht die Arbeitsproduktivität – die wuchs in Deutschland in den letzten zehn Jahren langsamer als in Frankreich. Wenn sich alle europäischen Volkswirtschaften auf einen solchen Weg begeben, muss das für den alten Kontinent keineswegs ein Gewinn sein. Die Amerikaner haben recht, dass den sparenden und auf den Export angewiesenen Ländern der Peripherie eine lebhaftere deutsche Nachfrage zugute käme. Die Möglichkeiten der deutschen Kanzlerin, in dieser Richtung rasch etwas zu bewirken, sind allerdings begrenzt. Die deutschen Beschäftigten werden sich weiterhin der relativ harten Konkurrenz aus Mitteleuropa stellen müssen (…). Alternativ könnte man die deutschen zu weniger Sparsamkeit veranlassen. Freilich altert die deutsche Gesellschaft schnell und wird aufs Sparen nicht verzichten können. In diesem Licht wirkt der amerikanische Traum vom vollen deutschen Einkaufskorb bloß wie ein Wunschdenken.“

(Un)wichtiger Taifun | Die Prager Tageszeitung „Lidové noviny“ räsoniert aus Anlass der Katastrophe auf den Philippinen über den Nachrichtenwert solcher Ereignisse: je weiter weg der Ort des Geschehens, umso weniger interessant. Und dabei spiele auch die „identifikatorische Entfernung“ eine wichtige Rolle: „Eine der ersten Fragen der Medien lautet gerade bei entfernten Katastrophen: Sind tschechische Bürger betroffen? Falls ja, steigt rasch das Interesse. Und es müssen nicht einmal tschechische Bürger unter den Opfern sein, es reicht voll und ganz, wenn sie wegen der Naturkatastrophe das Hotel nicht verlassen können. Gibt es vor Ort keine Tschechen, ist das schon schlechter, aber auch damit lässt sich arbeiten. Wir haben da ja noch westliche Touristen. Probleme mit der Unterkunft reichen freilich nicht, aber wenn sich einige Opfer unter ihnen befinden, ist es immer noch gut. Westliche Touristen sind doch immerhin ein wenig wie wir.“

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