Blick in die Presse

Blick in die Presse

Pressekommentare zu den Unterhauswahlen in Großbritannien, die Sicherheitslage im Baltikum und zum 70. Jahrestag des Kriegsendes

13. 5. 2015 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach; Foto: APZ

Relativ detailliert | Die Wochenzeitschrift „Respekt“ betrachtet die Sicherheitslage im Baltikum: „Man kann nicht mit Gewissheit behaupten, dass es zu einer Provokation oder einem Angriff kommt. Aber (…) wir können es uns vorstellen. Und das relativ detailliert. Nicht nur die Verantwortung, auch der Selbsterhaltungstrieb verlangt, etwas zu tun. Estland will eine neue Nato-Basis, die einen etwaigen Angriff auf ihr Land in einen Angriff auf Nato-Soldaten verwandeln würde, was einen eventuellen Aggressor abhalten könnte. Wie es viele Esten formulieren: Stärke und Entschlossenheit sie zu gebrauchen – keineswegs theoretische Vertragsartikel – sind das einzige, worauf ihre östlichen Nachbarn hören.“

Selbstbeschäftigung | Die Prager „Volkszeitung“ meint zum Wahlausgang in Großbritannien: „Premier Cameron wird sich nicht wünschen, dass sich die Wähler im Referendum für den Austritt Großbritanniens aus der EU aussprechen, und er wird versuchen, für sein Land einen Sonderstatus auszuhandeln. Es ist möglich, dass ihm das auch gelingt, denn auf dem europäischen Festland liegt es in niemandes Interesse, dass die Briten aus der EU austreten. Vor allem sind die kleineren und mittelgroßen EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa daran interessiert, dass Großbritannien in der EU bleibt. Das gibt uns nämlich den Spielraum zur Bildung verschiedener Allianzen in unterschiedlichen Fragen der europäischen Politik. Aber dennoch ist offensichtlich, dass sich Großbritannien in den kommenden Jahren vor allem mit sich selbst beschäftigen wird und viel weniger mit Europa oder der Welt.“

Ernste Gefahr | Die Tageszeitung „Právo“ meint zum gleichen Thema: „Cameron weiß als erfahrener Politiker gut, dass die zweite Wahlperiode (…) noch schwieriger sein wird als die erste. (…) Der Chef der Tories wird sich im Unterhaus vor allem der wachsenden Opposition der schottischen Nationalisten gegenübersehen, die zu Hause Labour sozusagen ausgerottet haben. Das bedeutet eine ernste Gefahr für die Integrität Großbritanniens, weil es sicher ist, dass nach dem letztjährigen verlorenen Referendum über die schottische Unabhängigkeit der Ruf nach Föderalisierung von Neuem erstarken wird.“ Cameron werde daher „sein ganzes politisches Können aufbieten und die Schotten zuvorderst mit Taten davon überzeugen müssen, dass es sich für sie lohnt, mit England verbunden zu bleiben.“

Schwerfälliger Idealismus | Die Wochenzeitung „Echo“ macht sich aus Anlass des Kriegsendes Gedanken über den deutschen Nationalcharakter. Es gebe Historiker, „die dem deutschen Volk (…) alte Neigungen zusprechen, die Welt zu retten. (…) Diese unpraktische Gewohnheit war der Hauptgrund, warum Deutschland so spät einen Nationalstaat gründete, mit allen Katastrophen, die die späte Geburt des Riesen Europa brachte. Ein Idealismus, der nicht vordergründig selbstsüchtig ist, der manchmal extrem pervers war (Hitler und seine Vorstellung von einen rassisch gesäuberten Europa), dann wieder gleichsam gut gemeint (heute etwa der angestrengte Kampf gegen den Klimawandel), gehört wohl zu den Zügen der deutschen kollektiven Psyche bis heute. Diese Theorie des schwerfälligen deutschen Idealismus ist gewagt, gleichwohl würde sie vieles erklären.“