Aufbruchstimmung in den Grenzregionen

Aufbruchstimmung in den Grenzregionen

Entwicklungsgutachten in Weiden vorgestellt: Beratungsbüros sollen Grenzraum stärken – Nachholbedarf bei Zugverbindungen

3. 3. 2016 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Antonín Ryska

 

Das Bild hätte symbolträchtiger nicht sein können: Im Februar 2015 stellten sich Bayerns Finanzstaatssekretär Albert Füracker und Klára Dostálová, Tschechiens Vize-Ministerin für regionale Entwicklung, auf einer meterlangen Landkarte in Pose. Sie ziert den Boden eines Raumes im Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee, darauf bildet nur noch ein kaum sichtbarer Strich die Grenze zwischen Bayern und Böhmen.

Mit diesem Foto wollten die Politiker augenfällig demonstrieren, dass sie Großes für die Region und das weitere Zusammenwachsen planen. „In kürzester Zeit und intensiver Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren sollen Perspektiven und Vorschläge entwickelt werden, wie wir den Grenzraum stärken können“, sagte Füracker damals.
Dafür sollten bestehende Strukturen einbezogen und ein Entwicklungsgutachten in Auftrag gegeben werden. Man wollte es im Sommer 2015 vorstellen. Die Grontmij GmbH habe das Gutachten fristgerecht erstellt und abgegeben, erklärte eine Unternehmenssprecherin im Januar gegenüber der „Prager Zeitung“. Doch erst jetzt kam es auf den Tisch – und nur in Ausschnitten.

In Weiden präsentierte Für­ackers Vorgesetzter, der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU), vor 150 geladenen Gästen erste Ergebnisse. So sollen vier Beratungsbüros, die demnächst eröffnet werden, dem Grenzraum neue Impulse verleihen. Diese weitgehend eigenständigen Büros hätten „vor allem die Aufgabe, Mittel aus europäischen Förderprogrammen abzugreifen und in die Region zu holen“, erklärte Söder am Montag.

Sie werden in Cham, Freyung und Marktredwitz installiert und sollen die regionale Wirtschaft stärken. Geplant ist, dass sie Gewerbeflächen in Bayern und Böhmen erfassen und gemeinsam vermarkten. Außerdem sollen ihre Mitarbeiter dem Mittelstand bei Entwicklungsaufgaben helfen und Kontakte zu Forschern und Hochschulen vermitteln. Sie werden auch grenzüberschreitende Kooperationen und Projekten einleiten und unterstützen. Dafür vergab Söder je 540.000 Euro.

Gemeinsame Universität als Ziel
Ein weiteres Büro in Regen soll den Tourismus in der Grenz­region und den Kulturaustausch zwischen beiden Ländern ankurbeln. Dafür stellte der Minister 270.000 Euro zur Verfügung.
Wieder einmal wurden bei der Veranstaltung in Weiden die mangelhaften Verkehrsverbindungen zwischen beiden Ländern beklagt – besonders bei Zügen. Keine wirklichen Neuigkeiten. Bereits im März 2015 hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in einem Interview mit der „Prager Zeitung“ diese Zustände als „indiskutabel“ bezeichnet.

„Für Bayern hat die Verbesserung der Bahnverbindung nach Tschechien höchste Priorität. Wir fordern deshalb eine schnelle Entscheidung des Bundes, der für den Ausbau zuständig ist“, führte Seehofer aus. Nun brachte Söder einen zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Schienen über Schirnding und Furth im Wald ins Gespräch.

Schon im Februar 2015 galt eine gemeinsame Universität als Königsidee für eine bessere Zusammenarbeit der Länder. Damals nannte Vize-Ministerin Dostálová die Verbindung zwischen den Hochschulen Linz und České Budějovice (Budweis) als vorbildlich. Dafür sollten bereits vorhandene Einrichtungen stärker vernetzt werden.

Auch Söder will jetzt kurzfristig ein bayerisch-tschechisches Hochschulnetzwerk schaffen. Dabei verwies er auf mehr als zwei Dutzend Hochschulstandorte in Bayern und Böhmen mit weit über 100.000 Studenten. Dies sei die Zukunft und bringe Arbeitsplätze, bekräftigte der Minister. Dass eine gemeinsame Universität ihren Lehrbetrieb aufnimmt, ist trotzdem erst in weiterer Zukunft zu erwarten.

In Weiden bekundete die Ministerin für Regionalent­wicklung, Karla Šlechtová (ANO), dass die Tschechische Republik stark an einer Zusammenarbeit in der Grenzregion interessiert sei. Pläne dafür hatte Söder erstmals im Sommer 2014 in Pilsen bekannt gemacht. Bei der Grenzregion gehe es um die Mitte Europas und nicht um den Rand Bayerns oder Tschechiens, unterstrich er nun erneut. Und dort gebe es noch viel Bedarf für eine Weiterentwicklung.

Kompetenzzentrum geplant
Beim Regionalforum Ende Februar 2015 in Schönsee wurde den Anwesenden ein Zwischenstand des Gutachtens präsentiert. „Damit haben wir uns ehrgeizige Ziele gesetzt“, so Staatssekretär Füracker damals. Einen Monat später, im März 2015, wurde bei einem Workshop „Zukunftsraum-Grenzraum“ in Furth im Wald verkündet, dass die Gutachter bereits 100 Interviews mit Experten aus Ostbayern und West- und Südböhmen geführt hätten.

Doch zum Leidwesen von Kommunalpolitikern in Ostbayern wird das komplette Gutachten weiterhin unter Verschluss gehalten. Man werde nicht alle Ergebnisse daraus realisieren, sondern nur Teile davon, erklärte eine Ministeriums­sprecherin schon vor Wochen auf Nachfrage dieser Zeitung.

Das Gutachten kostete angeblich 300.000 Euro und ist 58 Seiten stark. Grontmij ist mit mehr als 6.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 760 Millionen Euro eine der größten Ingenieurgesellschaften Europas und bearbeitet jährlich über 70.000 Projekte zu Umwelt, Wasser, Energie, Bau, Verkehrsinfrastruktur und Industrie.
Söder will demnächst bekanntgeben, welche Einzelprojekte sein Ministerium weiterhin fördert. Dabei hofft etwa der Landkreis Cham darauf, dass dort Pflegekräfte im Grenzraum ausgebildet werden. Als Standort für ein Kompetenzzentrum hat man Bad Kötzting im Auge, Träger wäre die Technische Hochschule Deggendorf und als Partner sind die Universitäten in Pilsen und České Budějovice vorgesehen.

Projekte im Dreiländer-Eck
Intensive Gedanken über eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit macht man sich auch weiter nördlich, in der Region zwischen Hof, Františkovy Lázně (Franzensbad) und Bad Elster. Wie die „Frankenpost“ berichtet, soll ein Gutachten für die Entwicklung dieses Grenzraums ebenfalls bald vorliegen.

Ein Planungsbüro in Wunsiedel schlägt darin große und kleine Projekte zwischen Bayern, Böhmen und Sachsen vor. So sollen Highlights wie der ehemals deutsch-deutsche Grenzort Mödlareuth, der Musikwinkel im Vogtland und die böhmischen Bäder stärker verzahnt werden.

Prinzipiell entdeckten die Gutachter noch viel Potenzial im Tourismus, so auch durch „Dreiländer-Touren“, besser verbundene Radwegenetze oder eine wiederbelebte Ortsmitte von Aš (Asch). Vor allem müsse dafür jedoch bald ein Verein oder eine Allianz als Basis gegründet und eine gemeinsame Organisationsstruktur geschaffen werden.
Und auch Partnerschaften zwischen kleineren Kommunen würden weitere und neue Verbindungen schaffen. Denn noch immer seien nur wenige Kilometer entfernte Orte hinter der Staats- oder Ländergrenze oft unbekanntes Land. Konkrete Ergebnisse für das Dreiländer-Eck sollen im Frühsommer vorgestellt werden.