Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Politik Sobotkas, zur Europäischen Zentralbank, zum deutsch-tschechischen Verhältnis und zur Dominanz Deutschlands innerhalb der EU

25. 3. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Halbherzige Problemlösungen | Die Wochenzeitschrift „Ekonom“ traut dem Optimismus des Chefs der EZB, Mario Draghi, nicht so recht, dass nach den makroökonomischen Daten eine lange und nachhaltige Belebung der Wirtschaft in der Eurozone bevorstehe: „Im Gegensatz dazu sind sich die Ökonomen einig, dass die neue Politik der EZB tatsächlich nichts anderes als mehr Zeit verschafft. Zeit dafür, dass die Länder endlich strukturelle Reformen des Arbeitsmarkts, des Renten- und vielleicht auch des Gesundheitssystems in Gang setzen. Und auch die Vereinfachung des gegenseitigen internationalen Handels einschließlich der Annahme des transatlantischen Vertrags. Pessimisten fügen freilich hinzu, dass ohne Krise kein Fortschritt eintreten wird. Ohne eine neue, weitere Krise. Denn die alte verhalf nur zu halbherzigen Problemlösungen.“

Alte Rezepte | Das Wochenmagazin „Echo“ geht mit Sobotka, Chef von Regierung und ČSSD, hart ins Gericht: „Die Sozialdemokraten müssen wirklich ein Mittel gegen Babiš finden. Optimisten mögen gehofft haben, dass Sobotka mit irgendeinem originellen Plan kommt, um wichtige Sektoren in der Gesellschaft zu reformieren. Schließlich haben das auch seine deutschen Vorreiter mit der fast vollständigen Beseitigung der Arbeitslosigkeit dank der Hartz-Reformen oder mit der ökologischen Politik der ‚Energiewende’ geschafft, welche die Stromerzeugung aus Kernenergie durch erneuerbare Energien ersetzt. Etwas dieser Art verlangte auf dem Parteitag allerdings der Hauptverlierer Jiří Dienstbier vergeblich. Sobotka und seine Gefolgsleute setzten auf Rezepte der alten Linken, im Vertrauen darauf, dass diese im zurückgebliebenen Osten wohl noch einmal greifen werden.“

Ungenutzte Gelegenheiten | Die Wochenzeitschrift „Respekt“ bringt eine Titelgeschichte über Angela Merkel und kommentiert das deutsch-tschechische Verhältnis: „In der jüngeren tschechischen Generation schwinden die nationalistischen antideutschen Stimmungen. In Prag eröffnete Bayern seine offizielle Vertretung, was wegen der unterschiedlichen Sicht auf die Vergangenheit bis vor kurzem undenkbar war. Ferner nehmen die Zusammenarbeit von Bürgervereinigungen, Partnerstädten und grenzüberschreitenden Regionen sowie der Studentenaustausch zu. Schließlich bejubelte man bei der letztjährigen Fußballweltmeisterschaft in unzähligen tschechischen Gaststätten die Deutschen, was vor zehn, zwanzig Jahren nur schwer vorstellbar gewesen wäre. Nicht zuletzt hat sich auch die tschechische Politik bewegt. (…) Das alles ist richtig, dennoch gibt es hier noch viele ungenutzte Gelegenheiten. Besonders, wo Deutschland zu einer europäischen Großmacht geworden ist und von einer Frau regiert wird, die unserem Land gewogen ist.“

Schlechtes Vorgehen | Die Prager „Lidové noviny“ stört sich an der starken Stellung Deutschlands in der EU: „Beim letzten EU-Gipfel äußerte der belgische Premier Charles Michel offenkundige Frustration. Warum verhandeln die Führer Deutschlands und Frankreichs mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras ohne Beteiligung der anderen Staatsmänner? ‚Das ist ein schlechtes Vorgehen’, sagte Michel. Den beiden europäischen Großmächten hat die belgische Regierung doch kein Mandat erteilt, für sie zu sprechen. (…) Die Deutschen denken über die Fragen, auf die der belgische Premier aufmerksam machte, offenbar nicht sonderlich nach. Die Kanzlerin schützt vor allem die Interessen der deutschen Steuerzahler. (…) Möglicherweise könnten sich in ähnlicher Weise wie Belgien auch die Tschechen melden, weil sich die Deutschen keine Gedanken darum machen, was sie den benachbarten Ländern mit ihrem strittigen