Zwei sind einer zu viel

Zwei sind einer zu viel

Kuriosum mit unklarem Ausgang: Tschechien hat zwei Polizeipräsidenten

11. 12. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: ČTK/Šulová Kateřina

Der eine heißt Martin Červíček und ist seit August 2012 Tschechiens Polizeipräsident. Der andere heißt Petr Lessy, er war Červíčeks Vorgänger und ist seit 3. Dezember dieses Jahres ebenfalls Polizeichef. Tschechien dürfte somit das einzige Land sein, das über zwei Polizeipräsidenten verfügt. Wer von beiden der legitime ist – darüber herrscht in Prag keine Einigkeit.

Der 49-jährige Lessy war Polizeipräsident seit Januar 2011. Im August 2012 wurde er vom damaligen Innenminister Jan Kubice entlassen, weil gegen Lessy ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch und übler Nachrede eingeleitet wurde. Er soll bewusst kompromittierende Informationen über einen hohen Polizeibeamten an die Presse lanciert haben. Als neuen Polizeichef setzte Kubice den 41-jährigen Martin Červíček ein.

Das Verfahren gegen Lessy wurde jedoch unlängst rechtskräftig eingestellt. Daraufhin wurde vom jetzigen (Übergangs-)Innenminister Martin Pecina das Dienstverhältnis erneuert, Lessy bezog ein Büro im Prager Polizeipräsidium. Er sei davon ausgegangen, dass Červíček in diesem Fall freiwillig zurücktreten werde, so der Innenminister. Dieser denkt jedoch gar nicht daran. Jetzt soll im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens geklärt werden, wer der legitime Polizeipräsident Tschechiens ist. Bis dahin soll Červíček die Amtsgeschäfte leiten, Lessy ist offiziell im Urlaub.

„Kompliziertes Problem“
Červíčeks Rücktrittsverweigerung ist jedoch keine sture Ignoranz. Vielmehr deutete der Polizeichef mehrfach an, dass Innenminister Pecina gezielt gegen ihn vorgehe, ihn unter  Druck setze. Dies geschehe deshalb, weil Pecina in einigen regionalen Polizeidirektionen Personaländerungen durchsetzen möchte, Červíček dies jedoch ablehnt. Unterstützung erfährt er von Kollegen; ein hoher Polizeioffizier hat gegen den Innenminister Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch gestellt, und die Gewerkschaft will diesem Beispiel folgen: „Der Hauptgrund ist nicht die Rückberufung von Petr Lessy, sondern der Druck, den er auf Polizeipräsident Červíček ausübt, damit dieser völlig unbegründete Personalveränderungen vornimmt. Die schnelle Wiedereinstellung von Herrn Lessy steht damit im Zusammenhang“, so der Vorsitzende des Unabhängigen Gewerkschaftsbundes Milan Štěpánek.

In der politischen Szene herrscht in dieser Frage Uneinigkeit. Präsident Zeman empfahl, eine Entscheidung über den neuen Polizeipräsidenten der neu entstehenden Regierung zu überlassen. Der gleichen Ansicht ist der designierte Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD). Es handele sich um ein „kompliziertes Problem“ und eine „Hinterlassenschaft der alten Regierung“. Der Übergangsminister sollte in dieser Frage aber keine Entscheidung mehr treffen, so der Chef der Sozialdemokraten.

Die Partei ANO, aller Voraussicht nach demnächst an der neuen Regierung beteiligt, befürwortet hingegen das Vorgehen Pecinas und die Rehabilitierung Lessys. Auch Pavel Bělobrádek, Vorsitzender des womöglich dritten Koalitionspartners KDU-ČSL, äußerte sich ähnlich: Lessy hätte nie abberufen werden sollen.

Schlussendlich wird die Personalie entweder im Zuge des Verwaltungsverfahrens oder nach Ernennung eines neuen Innenministers entschieden. Beides kann noch Wochen dauern.