Zu den Waffen, Bürger!
Die Armee bietet ab Oktober freiwillige Übungen für Zivilisten an
20. 4. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ
Die Zeiten sind hart. In Tschechien, wohin sich bisher kaum ein muslimischer Flüchtling verirrt hat, glauben erstaunlich viele Menschen, dass dem Land eine Invasion aus der arabischen Welt drohe – nicht zuletzt Staatsoberhaupt Miloš Zeman. Die Verantwortlichen der Armee hoffen nun offenbar, dass sie die diffusen Ängste nutzen können, um die Bürger zur (Selbst-)Verteidigung des Landes zu motivieren – und lädt Zivilisten zum Mitmachen ein.
Im Oktober sollen erste Übungen stattfinden, an denen sich Bürger freiwillig beteiligen können. Das gab Generalstabschef Josef Bečvář am Wochenende bekannt. Er ist überzeugt, dass das Angebot auf Interesse stoßen wird. Außerdem hofft er, dass die Armee ihr Personal bis Ende des Jahres aufstocken kann und schließt nicht aus, dass sich die Zahl der Soldaten im Bedarfsfall künftig erhöhen könnte.
Ab Juli werden neue Gesetze gelten, die unter anderem die Bedingungen für Reservisten verbessern sollen und die Möglichkeit vorsehen, dass Zivilisten sich zu freiwilligen Wehrübungen melden. Erstmals wird das im Oktober im südmährischen Vyškov geschehen. „Ein Bürger, der die Hand hebt und sagt, dass er das ausprobieren möchte“, so Bečvář, könne sich bereits an den Vorbereitungen beteiligen. Wie viele Menschen dieses Bedürfnis verspüren werden, wisse er nicht, so der Generalstabschef. Es könnten 30, 300 oder 3.000 werden – die erste Übung sieht er daher als Pilotprojekt, nach dem die Armee das Vorgehen eventuell modifizieren werde.
In Armeekreisen bedauern manche, dass es nicht gelungen ist, verpflichtende Wehrübungen für Zivilisten durchzusetzen. Bečvář jedoch glaubt, dass es auch so gelingen werde, die Reservisten aufzustocken und dass es Bürger geben werde, die sich freiwillig engagieren und „mit der Verteidigung des Landes identifizieren“ werden.
Dem Konzept für den Ausbau der Armee zufolge sollen in Tschechien bis zum Jahr 2025 gut 24.000 Berufssoldaten dienen, außerdem sollen die Streitkräfte über 3.720 zivile Angestellte und über bis zu 5.000 aktive Reservesoldaten verfügen. Weitere Soldaten und Zivilisten sind direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt, das somit insgesamt etwa 42.800 Personen zur Verfügung hätte.
Manöver in Deutschland
Ein Teil der Armeeangehörigen nimmt unterdessen bereits seit dem vergangenen Wochenende an einer Übung in Deutschland teil. Dort trainieren sie mit Kollegen aus anderen europäischen Ländern, die ab Juli Teil einer EU-Bereitschafts-Einheit werden sollen. Diese sogenannte Battle Group kann die Staatengemeinschaft bis zu 6.000 Kilometer von Brüssel entfernt überall einsetzen. Bisher ist es dazu zwar nicht gekommen, einige Diplomaten ziehen aber in Erwägung, die Soldaten zum Beispiel in afrikanische Krisengebiete zu schicken. Die neue Battle Group wird aus 3.400 Soldaten aus sechs Ländern bestehen, aus Tschechien kommen 244. Außerdem beteiligt sich die tschechische Armee derzeit mit gut 700 Soldaten an einer gemeinsamen Kampftruppe der Visegrád-Staaten (Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn), die sich bis Ende Juni für die EU einsatzbereit hält.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“