Zeman ist am Zug

Zeman ist am Zug

Der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet, die Minister nominiert. Doch nicht alle Kandidaten gefallen dem Präsidenten

9. 1. 2014 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: čtk

Tut er es oder tut er es nicht? Wird Präsident Miloš Zeman den Premier und die Minister ernennen oder wird er sich verweigern, einzelne Minister ablehnen, auf Zeit spielen? Das ist derzeit die große Frage in Prag, nachdem am Montag Sozialdemokraten (ČSSD), ANO und Christdemokraten (KDU-ČSL) den bereits vor Weihnachten ausgehandelten Koalitionsvertrag unterschrieben haben und gleichzeitig die einzelnen Ministerkandidaten präsentierten.

Ausgehend von den Aussagen der Protagonisten in den vergangenen Tagen und Wochen deutet einiges auf „Ärger“ hin. Präsident Zeman hatte wiederholt eher mehr als weniger deutlich zu verstehen gegeben, dass er die Regierung nicht einfach abnicken werde, sondern sich bei der Ministerauswahl „einbringen“ wolle. Soll heißen: Wer ihm nicht passt, den wird er nicht ernennen.

Und Miloš Zeman passen einige Kandidaten nicht. Da wären zunächst die Sozialdemokraten Lubomír Zaorálek und Jiří Dienstbier. Zaorálek ist in der Regierung Sobotka als Außenminister vorgesehen. Der 57-Jährige gehört genauso wie Dienstbier langfristig dem Zeman-kritischen Flügel der Sozialdemokraten an und war einer derjenigen Genossen, die Zeman (damals noch ČSSD-Mitglied) bei seiner gescheiterten Präsidentschaftskandidatur 2003 nicht unterstützt hatten. Diesen „Verrat“ hat Zeman bis heute nicht verwunden. Jiří Dienstbier ist spätestens seit dem Präsidentschaftswahlkampf vor einem Jahr ein rotes Tuch für Zeman. Als offizieller Kandidat der ČSSD versuchte sich Dienstbier vor allem mit harter Kritik an Zeman zu profilieren.

Da jedoch persönliche Anti­pathie kein öffentlich präsentables Verweigerungsmotiv ist, hat sich Zeman offiziell auf andere Kandidaten eingeschossen. „Ich werde keinen Minister ernennen, der nicht die nötige Fachkompetenz besitzt“, so Zeman vor Weihnachten. Als Beispiel nannte er den ANO-Kandidaten für das Verteidigungsressort Martin Stropnický. Der 57-Jährige ist von Haus aus Schauspieler und Regisseur, war jedoch von 1990 bis 2002 im diplomatischen Dienst tätig und 1998 auch kurzzeitig Kulturminister. Das Wochenmagazin „Týden“ will sogar erfahren haben, Zeman habe Sobotkas Ministerverzeichnis bis auf wenige Ausnahmen „zusammengestrichen“; der designierte Premier dementierte dies jedoch.

Spielraum für Konflikte
Formaljuristisch ist die Sache relativ klar: Die große Mehrheit der Verfassungsrechtler ist der Ansicht, der Präsident könne einen vorgeschlagenen Minister nur aus „schwerwiegenden gesetzlichen Gründen“ ablehnen. Dies ist jedoch bei keinem der Kandidaten objektiv gegeben – mit Ausnahme von ANO-Chef Andrej Babiš, der kein negatives Lustrationszeugnis vorlegen kann. Aber ausgerechnet in diesem Fall deutete Zeman Kompromissbereitschaft an.

Das Verfassungsrecht auf seiner Seite wissend, sparte auch der designierte Regierungschef Bohuslav Sobotka im Vorfeld nicht mit deutlichen Worten. Sollte Zeman bestimmte Minister ablehnen, so werde er die Ressorts kommissarisch selbst führen, so Sobotka. Bereits zuvor hatte der ČSSD-Chef angekündigt, im Zweifelsfall beim Verfassungsgericht eine Kompetenzklage gegen den Präsidenten anzustrengen. Das klingt einerseits selbstbewusst und deutet andererseits nicht darauf hin, dass Sobotka mit einem glatten und problemlosen Prozedere rechnet. Ob Zeman es auf einen Konflikt ankommen lässt, ist offen. Es wäre jedenfalls eine riskante Option: Einerseits würde politisches Chaos drohen, andererseits würde sich Zeman zunehmend isolieren, denn auch die bürgerlich-konservative Opposition ist an klaren Verhältnissen und keinen präsidialen Ego-Trips interessiert.

Angesichts dieser Lage gerät manchmal aus dem Blick, dass an dem einen oder anderen Ministerkandidaten Kritik durchaus legitim ist – und diese von der Öffentlichkeit auch offen formuliert wird. Das wohl markanteste Beispiel ist Richard Brabec, der für ANO das Umweltministerium übernehmen soll. Dabei war der 47-Jährige zwischen 2005 und 2011 Generaldirektor von Lovochemie, eines der größten Chemie-Unternehmen Tschechiens, das zum Agrofert-Konzern von ANO-Chef Babiš gehört. Diese Personalentscheidung, so das Wochenmagazin „Respekt“, klinge wie ein „äußerst zynischer Witz“.