Vielfalt schwindet

Vielfalt schwindet

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer verändert den Buchmarkt schleichend. Nur Kinderbücher und E-Books legen zu

19. 6. 2013 - Text: Peggy LohseText: Peggy Lohse; Foto: Rike/pixelio.de

 

Minus 1.738 oder ein Rückgang von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das sind die ernüchternden Zahlen in der Bilanz des tschechischen Buchmarkts für das Jahr 2012. „Unsere Buchkultur verarmt“, warnt der Vorsitzende des Verbandes tschechischer Buchhändler und Verleger (SČKN) Martin Vopěnka. „Und das ist genauso ernst, als wenn Pflanzen und Tiere aus der Natur verschwinden.“

Ist die schwindende Vielfalt die Folge der drastischen Mehrwertsteuererhöhungen unter der Regierung Nečas? Zur Erinnerung: Für Bücher stieg der Steuersatz im vergangenen Jahr von zehn auf 14 Prozent und seit 1. Januar dieses Jahres noch einmal um einen Prozentpunkt. Damit gehört Tschechien EU-weit gemeinsam mit Bulgarien (20 Prozent) und Dänemark (25 Prozent) zu den Ländern mit dem höchsten Steuersatz auf Bücher. Ja, lautet die Antwort von Martin Vopěnka. Aber das ist erst der Anfang. Die kompletten Auswirkungen würden sich erst noch bemerkbar machen. Vopěnka rechnet mit einem weiteren Rückgang an Titeln in diesem und im kommenden Jahr.
„Immerhin hatten die Verleger viele Bücher bereits vor der Steuererhöhung eingekauft und vorbereitet.“ Ein Verlag investiere bereits ein bis zwei Jahre vor der Publikation in ein Buch und trage damit ein hohes Risiko.

Fachbücher halten sich
Der tschechische Buchmarkt sei spezifisch, weil sehr viele kleine Verlage existierten, erläutert Vopěnka. In einem Bericht für den Zeitraum 2011/2012 zählte man 29 große Verlage, die mehr als hundert Titel im Jahr herausgaben. 909 Verlage jedoch publizierten weniger als 10 Bücher, 1.371 gar nur ein einziges. Und eben jene kleinen Unternehmen würden die Erhöhung der Mehrwertsteuer am deutlichsten zu spüren bekommen, so Vopěnkas Befürchtung. Der durchschnittliche Buchpreis stieg in den Jahren 2000 bis 2011 ohnehin enorm von 180 auf 240 Kronen. Man wollte die Steuererhöhung nicht an den Endverbraucher weitergeben, damit die Preise nicht weiter in die Höhe schnellen, lautet die für Buchhändler nicht bindende Linie des Verbandes.

Bei einem Preis von 250 Kronen (9,68 Euro) müssen nun 33 Kronen Mehrwertsteuer abgeführt werden. Von dem Nettobetrag gehen 50 Prozent an den Vertrieb, für den Verlag bleiben dann noch 108 Kronen. In diesem Betrag sind Autorenhonorar (ca. 8,6 Prozent), grafische Bearbeitung, Druck (21 Prozent), wenn nötig Übersetzung und letztendlich die Verlagsverwaltung inbegriffen.

Der Buchhandel wird von den drei großen Vertriebsgesellschaften Euromedia Group, Kosmas und Pemic Books beherrscht. „Zu solch katastrophalen Folgen wie befürchtet ist es wegen der Mehrwertsteuererhöhung bislang nicht gekommen“, sagt Jiří Paděvets, Direktor des Academia-Verlags. Um zehn bis 15 Prozent seien die Einnahmen allerdings gesunken. Das liege auch an der gesamten wirtschaftlichen Situation und am nachlassenden Interesse am Buch als solchem, so Paděvets. Besonders bei Poesie und regionaler Literatur ist der Umsatz zurückgegangen. Fachbücher sind zwar teurer geworden, werden aber trotzdem gekauft. Eine einzige Gattung habe bei den Publikations- und Verkaufszahlen sogar ein wenig zugelegt: das Kinderbuch.

Zukunft E-Book
Dies wiederum mag auch mit Unterstützung aus öffentlicher Hand zusammenhängen. Die sei Vopěnka zufolge zwar gering, gerade für Kinderbuchpublikationen jedoch sind die Subventionen gestiegen. Sie wurden im letzten Jahr mit 380.000 Kronen (rund 15.000 Euro) mehr als 2011 vom Kulturministerium unterstützt.

Einen steilen Anstieg verzeichnete man beim Verkauf von E-Books, auf die ebenfalls der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 15 Prozent fällt. Die vier größten Online-Buchhändler eReading.cz, Kosmas.cz, Palmknihy.cz und Wooky verkauften 2012 über 187.000 E-Books. Das ist mehr als vier Mal soviel wie im Jahr vorher als rund 44.000 E-Books über den virtuellen Ladentisch gingen. Darum veröffentlichen immer mehr traditionelle Verlage ihre Bücher auch in elektronischer Form.

Dem SČKN-Vorsitzenden Vopěnka zufolge liegt der E-Book-Anteil am gesamten tschechischen Buchmarkt bisher bei einem Prozent. Jiří Vlček von der Plattform Palmknihy.cz jedoch ist zuversichtlich, dass die Zahl verkaufter E-Books in diesem Jahr die 500.000-Marke erreichen wird. In zwei Jahren könnten sie gar 15 Prozent des gesamten Buchmarktes ausmachen.

Die Mehrwertsteuer auf Bücher müsse jedenfalls wieder gesenkt werden, fordert Verbandschef Vopěnka. Dazu wünscht er sich einen parteiübergreifenden Konsens. Schließlich sei das keine politische Frage, sondern eine des Erhalts von Kultur und Nationalsprache.