Tödliche Explosion

Tödliche Explosion

Palästinas Botschafter stirbt nach Öffnen eines Safes. Polizei findet ominöse Waffen und ermittelt weiter

9. 1. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: APZ

Wie genau es am Neujahrstag zu der tödlichen Explosion im Prager Vorort Suchdol kam, bleibt weiterhin rätselhaft. Fest steht: Der Sprengsatz detonierte wenige Augenblicke, nachdem der palästinensische Botschafter Dschamal al-Dschamal gegen Mittag einen Tresor im neu bezogenen Botschaftsgebäude öffnete. Etwa zwanzig Minuten später wurde der 56-jährige Diplomat mit schweren Wunden an Kopf, Brust und Bauch in einem Militärkrankenhaus eingeliefert. Dort musste Chefchirurg Daniel Langer feststellen, dass „die Verletzungen nicht mit dem Leben vereinbar waren“. Seither brodelt die internationale Gerüchteküche.

Erste Spekulationen gingen von einem tödlichen Silvesterböller aus, später meldete Ramallah, der Safe sei von Dschamal zum ersten Mal seit Jahrzehnten geöffnet worden. Das wiederum brachte Semtex ins Gespräch. Weil der Plastiksprengstoff kaum aufzuspüren ist, kam er während des Kalten Krieges bei Anschlägen, auch durch arabische Terrororganisationen, zum Einsatz. Semtex wurde in den fünfziger Jahren in der Tschechoslowakei vor allem nach Vietnam und Libyen exportiert. Beides, der Jahrzehnte verschlossene Tresor ebenso wie die Semtex-Theorie, waren schnell entkräftet. Botschaftssprecher Nabíl Fahil sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk, der fragliche Tresor sei täglich benutzt worden. Ein zweiter, lange verschlossener Safe sei von der Polizei sichergestellt worden. Er war leer.

Die Polizei ebenso wie der Geheimdienst BIS gehen weiterhin von einem Unfall aus, den der Botschafter durch unachtsamen Umgang mit Sprengstoff selbst verursachte. Einen Anschlag schließen sie, ebenso wie Premier Rusnok und die palästinensische Regierung, aus. Im Gegensatz zur Botschaftstochter. Der Nachrichtenagentur AP sagte sie, der offizielle palästinensische Standpunkt sei nicht belegt. „Der Tresor wurde tags zuvor verlegt. Auf dem Weg ist offenbar etwas passiert.“

Da die Diplomaten gerade erst dabei waren, sich in ihrem neuen Sitz einzurichten und dieser noch keinen offiziellen Botschaftsstatus hat, konnte die Polizei das Gebäude durchsuchen. Was sie dort fand, birgt neuen – diplomatischen – Sprengstoff. Die Beamten stellten insgesamt zwölf Waffen, darunter Maschinengewehre, ohne Einfuhrdokumente sicher. Nun ist Ramallah am Zug.

Das tschechische Außenministerium bezeichnet den Fund als „schwere Verletzung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen“ und fordert „eine klare und eindeutige Erklärung“ von palästinensischer Seite. Laut AP wies Vize-Außenminister Dscharadat zurück, es habe sich um illegale Waffen gehandelt. Sie seien bereits in Zeiten der kommunistischen Tschechoslowakei auf legalem Weg in den Besitz der Botschaft gelangt.

Seit 1988 hat die Vertretung in Prag den Botschaftsstatus inne. Ihren Sitz hatte sie über Jahrzehnte im Stadtteil Troja. Nun zog man nach Suchdol um. Während Tschechien in Palästina vor allem Entwicklungshilfe leistet, konzentriert man sich politisch primär auf die guten Beziehungen zu Israel.

Dschamal al-Dschamal trat erst im Oktober als dritter palästinensischer Botschafter in Prag sein Amt an. Er kam 1957 im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila zur Welt, war Mitglied der Fatah-Partei und zuvor als Diplomat in Bulgarien, Tschechien und Ägypten.

Während in Prag die Verhöre und Ermittlungen weitergehen, trat Dschamal am Montagabend seine letzte Reise an. Sein Leichnam wurde mit einem Linienflugzeug vom Václav-Havel-Flughafen nach Jordanien gebracht. Am Mittwoch wurde Dschamal in Ramallah beigesetzt.