Tiefe Gräben

Tschechische Parlamentarier verurteilen Russlands Vorgehen auf der Krim und ziehen historische Vergleiche

5. 3. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ

Die Botschaft ist eindeutig: „Stoppt Adolf Putin“ und „Kein Krieg“ steht auf den Transparenten, eine junge Frau zeigt ein Plakat, auf dem der russische Präsident Wladimir Putin mit Hitlers Haar und Bart zu sehen ist. Die Menschen, die am vergangenen Sonntag vor der russischen Botschaft in Prag gegen Russlands Vorgehen auf der ukrainischen Halbinsel Krim demonstriert haben, brachten ihre Wut mit drastischen Vergleichen zum Ausdruck und griffen dabei auch auf Erfahrungen aus der tschechischen Geschichte zurück: Sie erinnerten sowohl an die Besetzung der tschechoslowakischen Grenzgebiete durch Nazi-Deutschland im Jahr 1938 als auch an die sowjetische Okkupation im Jahr 1968. Sehr ähnlich fielen auch die Reaktionen tschechischer Politiker aus.

Nach einem Treffen der Vorsitzenden des Sicherheitsrates der Tschechischen Republik erklärte Premierminister Bohuslav Sobotka: „Wir sind übereingekommen, dass das, was sich gerade in der Ukraine abspielt, eine Verletzung des internationalen Rechts und der Souveränität des Staates darstellt. Der beste und einzig mögliche Ausweg ist die Rückkehr zu einer diplomatischen Lösung.“

Außenminister Lubomír Zaorálek (ČSSD), der das russische Vorgehen bereits in der vergangenen Woche im Rahmen seines Ukraine-Besuchs verurteilt hatte, bestellte am Sonntag den russischen Botschafter ein und sagte: „Wenn sich Russlands Politik gegenüber der Ukraine nicht ändern sollte, kann ich mir keinen weiteren Ausbau der Beziehungen zu Russland vorstellen.“ Das tschechische Außenministerium warnt zudem aktuell vor Reisen in die Ost­ukraine und auf die Krim.

Zaoráleks Amtsvorgänger, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des tschechischen Parlaments Karel Schwarzenberg (TOP 09), bezeichnete das Vorgehen Russlands als „klares Bemühen, den Machtbereich der Russischen Föderation zu erweitern, die Krim zu besetzen und praktisch Russland anzuschließen“. Die Argumente Putins würden denen gleichen, die Hitler bei der Besetzung fremder Länder verwendet habe. „Hitler hat stets erklärt, er müsse die dortigen Deutschen schützen. Es ist absolut klar, dass es nicht um den Schutz russischer Bürger geht, die von niemandem gefährdet werden und die in absoluter Sicherheit sind“, so Schwarzenberg. Diesen Vergleich zog auch der Senatsvorsitzende Milan Štěch heran: 1938 hätten „einige Gruppen von Bürgern – ziemlich zahlreiche – nach einem Anschluss an das deutsche Reich gerufen“. Man wisse, welche Folgen das nicht nur für Tschechien, sondern für die ganze Welt hatte, so Štěch.

Staatspräsident Miloš Zeman dagegen erinnerte an die Niederschlagung des Prager Frühlings: „Auch wenn ich die Interessen der russischsprachigen Mehrheit auf der Krim, die 1954 unsinnigerweise von Chruschtschow der Ukraine zugesprochen wurde, vollkommen verstehe, so haben wir unsere eigenen Erfahrungen mit der Militärintervention von 1968. Und ich bin der Meinung, dass jede Militärintervention tiefe Gräben hervorruft, die für Generationen nicht überwunden werden können.“