Talfahrt am Bau geht weiter

Talfahrt am Bau geht weiter

Tiefbau leidet unter Sparpolitik – Aufwind bei Umweltschutzprojekten und Wohnraumsanierung

6. 3. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Gerit Schulze; Foto: Berggeist007/pixelio.de

Tschechiens Bauwirtschaft fällt als Konjunkturmotor weiter aus. Um 6,5 Prozent hat die Bauproduktion 2012 abgenommen. Der Auftragsbestand lag 2012 unter dem Niveau des Vorjahres. Verheerend wirkt sich der Sparkurs der Regierung besonders auf den Tiefbau aus, weil weniger Geld in Infrastrukturprojekte fließt. Das Volumen der Bauleistungen ist inzwischen auf das Niveau von vor zehn Jahren zurückgefallen. Gegenüber dem Rekordjahr 2008 hat die Branche ein Fünftel ihrer Leistung verloren. Der Rückgang von 13,6 Prozent im Tiefbau begründe sich vor allem mit dem Einfrieren der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, sagte der Präsident des Bauverbands SPS Václav Matyas. Tschechien verspiele die Möglichkeiten, die sich durch die Ausschöpfung der EU-Fonds bieten.

Die Krise am Bau bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Zahl der Beschäftigten und Betriebe. Laut SPS hat die Branche heute rund 20.000 weniger Mitarbeiter als vor fünf Jahren. Das Czech Credit Bureau hat im vergangenen Jahr die Rekordzahl von 229 Insolvenzen im Bausektor gezählt. Gleich um 18 Prozent sind die Auftragseingänge im Inland 2012 gesunken, im Tiefbau sogar um ein Drittel. Ebenso zurückgegangen ist die Zahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude und für sonstige Bauwerke. Laut einer Umfrage des Marktforschers CEEC erwartet weniger als die Hälfte der Bauunternehmen für dieses Jahr steigende Umsätze.
Hoffnung gibt es bei der Sanierung von Wohnraum. Der Wert der 2012 genehmigten Bauleistungen ist um ein Fünftel gestiegen. Der staatliche Wohnungsbau-Entwicklungsfonds (SFRB) finanziert weiterhin die Sanierung von Plattenbauten. In diesem Jahr sind dafür 210 Millionen Kronen (rund 8,2 Millionen Euro) vorgesehen.

Mehr Aufträge im Ausland
Zudem startet eine Neuauflage des Sanierungsprogramms „Grünes Licht für Einsparungen“ („Nova zelena usporam“). Bis 2020 stehen 28 Milliarden Kronen (rund 1,1 Milliarden Euro) bereit, um die Energiebilanz von Wohngebäuden zu verbessern. Zielgruppe sind vor allem Besitzer von Eigenheimen. Sie bekommen Finanzmittel zur Fassadendämmung, für den Austausch von Heizkesseln und den Einsatz von Solarthermie zur Warmwasseraufbereitung. Der nach eigenen Angaben größte Anbieter von Mietwohnungen im Land, RPG byty (44.000 Wohnungen in der Region Ostrava) will dieses Jahr 1,3 Milliarden Kronen (52 Millionen Euro) in die Modernisierung seines Bestands stecken. Damit sollen die Fenster erneuert, Stromverteiler, Dächer und Balkons repariert und Fassaden gedämmt werden. Bauvorhaben im Umweltschutz verzeichneten 2012 ein deutliches Plus. Dieser Sektor profitiert stark von Zuwendungen aus EU-Fonds. Kommunen und Kreise investieren weiterhin in Hochwasserschutz, Trinkwasserversorgung oder Kanalisation.

Erfolgreich sind Tschechiens Baufirmen bei der Auftragsakquise im Ausland, die um ein Viertel anstieg. Zuletzt hatte unter anderem das Unternehmen „Subterra“ in Rheinland-Pfalz den Zuschlag für einen Eisenbahntunnel zwischen Koblenz und Perl bekommen. Einschließlich Projektierung hat der Auftrag einen Wert von 20 Millionen Euro, berichtete die Tageszeitung E15.

Doch auch im Inland stehen einige größere Bauvorhaben an, die der Branche wieder auf die Sprünge helfen könnten. Die Immobiliengruppe Orco will in Prag den Umbau des Bahnhofsgeländes Bubny starten. Dafür hat der Stadtrat zu Jahresbeginn die Änderungen am Flächennutzungsplan genehmigt. Hier soll ein neuer Stadtteil mit Wohnungen, Büros, Einzelhandel und sozialer Infrastruktur entstehen. Die Kosten werden auf 20 bis 50 Milliarden Kronen (800 Millionen bis 2 Milliarden Euro) geschätzt. Am Prager Bahnhof Smíchov steht der Umbau bevor. Büro- und Geschäftshäuser sowie Wohnungen sollen entstehen. Investitionskosten: 15 Milliarden Kronen (600 Millionen Euro).

Die gebeutelten Tiefbauunternehmen setzen darauf, dass endlich der Startschuss für eine Reihe von geplanten Infrastrukturprojekten fällt. Darunter die Sanierung der Autobahn D1, der Ausbau der D11 in Richtung Polen oder die Bahnstrecke zwischen Tabor und Sudoměřice. In Prag soll der Ausbau der U-Bahnlinie A weitergehen. Außerdem ist die 100 Kilometer lange Gaspipeline „Mozart“ geplant, die das tschechische mit dem österreichischen Netz verbindet.

Der Autor ist Korrespondent für Tschechien und die Slowakei der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing „Germany Trade & Invest”.