Tabuthema Genozid

Tabuthema Genozid

Präsident Zeman fordert Parlament zu einer Armenien-Resolution auf

22. 6. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Pražský hrad

Während die Armenien-­Resolution des Bundestags in Deutschland für hitzige Debatten sorgt, bleibt das Thema hierzulande eher unbeachtet. Auch nachdem Staatspräsident Miloš Zeman bei seinem Amtsbesuch in Armenien das tschechische Parlament aufgefordert hat, dem Beispiel Berlins zu folgen, halten sich hiesige Politiker bei dem Thema zurück. Außen­minister Lubomír Zaorálek (ČSSD) zufolge bleibe das Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern als Forschungsgegenstand unabhängigen Historikern vorbehalten. Zwar seien die Ereignisse im Jahr 1915 schrecklich gewesen und hätten viele Menschenleben gekostet, bei deren Bewertung sollten sich Politiker dennoch zurückhalten, so Zaorálek. Aufgrund der Forderung des Präsidenten befürchtet er eine diplomatische Reaktion der Türkei.

Auch der sozialdemokratische Chef des Abgeordnetenhauses Jan Hamáček wies eine parlamentarische Resolution aus ähnlichen Gründen zurück. Dem Senatsvorsitzenden Milan Štěch (ČSSD) zufolge sei ein solcher Gesetzesvorschlag weder geplant noch überhaupt diskutiert worden. „Derzeit kann ich mir auch nicht vorstellen, wie das Ergebnis eines solchen Vorschlages aussähe“, so Štěch.

Staatsoberhaupt Zeman hatte bei seinem Armenien-Besuch Anfang Juni am Zizernakaberd-Mahnmal in Jerewan der Opfer der Ereignisse gedacht. Mit seinem Amtskollegen Sersch Sargsjan pflanzte er einen Baum. Dabei erinnerte Zeman daran, dass er bereits zuvor von einem Völkermord an den Armeniern gesprochen hatte und forderte die tschechische Regierung auf, diesen ebenfalls offiziell anzuerkennen.

Wörtlich hatte Zeman im Januar 2014 gesagt, als er Sargsjan in Prag empfing: „Nächstes Jahr werden 100 Jahre seit dem Genozid am armenischen Volk im Jahr 1915 vergangen sein, bei dem 1,5 Millionen Armenier starben.“ Nun erklärte Zeman: „Wir müssen nach dem Treffen in Armenien einen Schritt weitergehen. Und nicht nur Deutschland und Frankreich folgen, wo der Völkermord sogar per Gesetz anerkannt wird, sondern auch Russland, Polen, der Slowakei, Italien und anderen Ländern, weil ich denke, dass wir ihnen auf diesem Gebiet in nichts nachstehen sollten.“

Bisher erkennen 23 Staaten den Völkermord an den Armeniern offiziell an, dem in den Jahren 1915 bis 1917 mehr als 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Die Türkei lehnt eine solche Deutung der Geschehnisse bis heute vehement ab.

Bei seinem Treffen mit Sargsjan bot Zeman zudem an, das Land im Konflikt um Berg-Karabach zu unterstützen. Prag könne dabei als Verhandlungsort für Sargsjan und den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew fungieren, so Zeman. Seit Jahrzehnten streiten sich Armenien und Aserbaidschan um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region. Bei einer erneuten Eskalation des Konflikts kamen im April mehr als 100 Menschen ums Leben.