Schwerer Schlag

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Altner-Prozess: Sozialdemokraten müssen Millionenstrafe zahlen

6. 4. 2016 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: VitVit/CC BY-SA 3.0

Es ist der Schlusspunkt eines 16 Jahre währenden Rechtsstreits und ein herber Schlag für die tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD): Die Regierungspartei muss laut einem rechtskräftigen Urteil des Prager Stadtgerichts dem ehemaligen Rechtsanwalt Zdeněk Altner 337 Millionen Kronen (etwa 12,5 Millionen Euro) zahlen. Das ist eine Summe, die den Jahresgesamtetat der Partei deutlich übersteigt.

Rückblende: 1997 schließt die Partei mit Altner einen Vertrag; der Anwalt soll der ČSSD helfen, den Anspruch auf das „Lidový dům“, die historische Parteizentrale in der Prager Neustadt, gerichtlich durchzusetzen. Im Erfolgsfall war ein Honorar in Höhe von zehn Prozent des Streitwertes vorgesehen. Die ČSSD gewinnt den Rechtsstreit und zahlt eigenen Angaben zufolge knapp 17 Millionen Kronen. Altner sieht jedoch seinen Honoraranspruch nicht erfüllt, klagt im Jahr 2000 gegen die Partei und bekommt 16 Jahre später Recht. Dass die Schuldensumme in der Zwischenzeit nahezu um das Zwanzigfache anwuchs, liegt an den vereinbarten Vertragsstrafen, die mit 0,3 Prozent pro Tag außergewöhnlich hoch angesetzt waren.

Altner ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits in den Neunzigern soll er als Konkursverwalter in undurchsichtige Geschäfte verwickelt gewesen sein. Deshalb und wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht im ČSSD-Prozess führte die tschechische Anwaltskammer mehrere Disziplinar­verfahren gegen Altner und entzog ihm schließlich die Zulassung. 2013 wurde er in Deutschland auf der Grundlage eines europäischen Haftbefehls festgenommen, da er sich in der Slowakei der Konkursverschleppung schuldig gemacht haben soll.

Den formal offenbar korrekten, aber für die Partei offensichtlich unvorteilhaften Vertrag hatte mit Altner seinerzeit der damalige Parteivize Ivo Svoboda ausgehandelt, der später wegen Betrug eine fünfjährige Haftstrafe verbüßte. Unterschrieben wurde die Vereinbarung vom damaligen Parteichef und jetzigen Staatspräsidenten Miloš Zeman. Dieser habe zwar bei der Unterzeichnung „Zweifel“ gehabt, die Verantwortung für das aktuelle Urteil würden jedoch seine Nachfolger als Parteivorsitzende tragen. Diese hätten 15 Jahre so getan, als sei alles in Ordnung und die Strafe „fröhlich in astronomische Höhen steigen lassen“.

Parteichef Bohuslav Sobotka bezeichnete die Millionenstrafe hingegen als „unseliges Erbe“ der damaligen Parteiführung. Die ČSSD akzeptiere das Urteil und er gehe davon aus, dass die Partei die Zahlung der Summe schultern werde, so Sobotka, der den Schatzmeister Martin Starec mit der Ausarbeitung eines Sparplanes beauftragte. Über das weitere Vorgehen wollen die Gremien der Partei am Mittwoch beraten. Klar scheint jedoch, dass die Schulden über einen Kredit beglichen werden sollen. Erwägungen in diese Richtung bestätigten Fraktionschef Roman Sklenák und Innenminister Milan Chovanec. Die angekündigten Sparmaßnahmen werden laut Schatzmeister Starec „alles und alle“ betreffen. Einen Verkauf von Immobilien schloss er jedoch aus.

Das Urteil trifft die ČSSD zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da im Herbst Kreis- und Senatswahlen anstehen. Für den Wahlkampf hatte die Partei ursprünglich 100 Millionen Kronen vorgesehen; diese Summe könnte nun zur Disposition stehen. Zu einer möglichen Benachteiligung der Sozialdemokratie im politischen Wettbewerb soll es jedoch nicht kommen. „Wir werden so vorgehen, dass die Sparmaßnahmen unsere Aktivitäten Richtung Wähler möglichst wenig beeinträchtigen. Wir müssen Raum haben, um mit den anderen Parteien konkurrieren zu können“, erklärte Sobotka.