Rosa Armee

Erinnern an den Einmarsch: In Sofia werden Soldaten angestrichen, in Moskau friedliche Bürger festgenommen

28. 8. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk

 

An die Niederschlagung des Prager Frühlings vor 45 Jahren hat am Mittwoch vergangener Woche eine ungewöhnliche Aktion in der bulgarischen Hauptstadt Sofia erinnert. Unbekannte verpassten dem sowjetischen Armeedenkmal im Zentrum der Stadt einen rosa Anstrich und merkten in großen Lettern an: „Bulharsko se omlouvá“ – Bulgarien entschuldigt sich. Die Farbwahl erinnert an ein früheres Projekt des tschechischen Künstlers David Černý, der 1991 einen sowjetischen Panzer in Prag ebenfalls rosa angestrichen hatte.

Bulgarien hatte sich im August 1968 neben der Sowjetunion, Polen und Ungarn an der Besetzung der damaligen Tschechoslowakei beteiligt, um „eine Lostrennung von der sozialistischen Gemeinschaft“ zu verhindern und „den Frieden und die Sicherheit in Europa zu gewährleisten“, wie es der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew einen Monat zuvor formuliert hatte. Den Einmarsch befürwortete auch dessen bulgarischer Amtskollege Todor Schiwkow, dem nachgesagt wurde, er diene der UdSSR mit mehr Inbrunst als die sowjetischen Führer selbst.

Für den Einmarsch seiner Truppen hatte sich das bulgarische Parlament bei den Tschechoslowaken bereits kurz nach der politischen Wende im Jahr 1990 entschuldigt. Sieben Jahre später bekräftigte der damalige Staatspräsident Petar Stojanow in Prag sein Bedauern über Bulgariens Mitschuld am gewaltsamen Ende der tschechoslowakischen Reformbewegung.

Für die eigenwillige Denkmal-Aktion zeigt die derzeitige Regierung hingegen wenig Verständnis. Ein Sprecher des bulgarischen Innenministeriums erklärte, der Schuldige werde vor Gericht gestellt – wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Dabei störe sich die bulgarische Öffentlichkeit doch gar nicht daran, meint ein Journalist der bulgarischen Tageszeitung „24 Chasa“. Vielmehr verstünden es die meisten als Kunst im öffentlichen Raum, die zum Nachdenken über die Vergangenheit anrege. Sollte der unbekannte  Künstler gefasst werden, drohen ihm bis zu zwei Jahre Haft.

Während die bulgarischen Medien das rosa Denkmal begrüßten und daran erinnerten, Bulgarien sei das erste Land gewesen, das 1968 auf einen Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen bestanden habe, vertritt Tomáš Chrobák, Mitarbeiter der Tschechischen Botschaft in Sofia, eine andere Ansicht. „Wir sind uns zwar bewusst, dass man dadurch auf den Jahrestag aufmerksam machen wollte, aber diese Aktion können wir nicht gutheißen“, so Chrobák.

Empörung in Moskau

Das Sowjetdenkmal war bereits in den vergangenen Jahren für politische Aktionen genutzt worden. So verwandelten sich die auf dem Relief dargestellten Soldaten im Jahr 2011 in US-amerikanische Superhelden, die Sowjet- wurde zur US-Flagge – „Stars and Stripes“ statt Hammer und Sichel. Im vorigen Jahr bekamen die Figuren bunte Sturmhauben verpasst, aus Protest gegen die Festnahme der russischen Punkband „Pussy Riot“.

Moskau reagierte stets erzürnt auf die „Verschandlung sowjetischer Heiligtümer“. Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch rief die bulgarische Regierung auf, alles Notwendige zu tun, um die „Täter dieser Schändung“ zu bestrafen. Schließlich erinnere das Denkmal an die Befreiung des bulgarischen Volkes vom Hitler-Faschismus.

Wie Russland mit ähnlichen Kundgebungen im eigenen Land umgeht, zeigte die Moskauer Polizei am vergangenen Sonntag. Sie nahm zehn Bürger fest, die auf dem Roten Platz an die Solidaritätsbekundungen am 25. August 1968 an gleicher Stelle erinnerten. Damals wie heute trugen die Teilnehmer ein Transparent mit der Aufschrift „Für eure und unsere Freiheit“. Eine der Festgenommenen, die tschechische Übersetzerin Nina Falkovská, sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk, sie habe bald vor einem Gericht zu erscheinen und etwa 20.000 Kronen (etwa 7.800 Euro) Strafe zu zahlen. Der Vorwurf: Sie habe sich an einer „nicht genehmigten öffentlichen Versammlung“ beteiligt. „Dabei war das gar keine Demonstration. Wir wollten nur daran erinnern, dass sich damals ehrbare Bürger gegen die Okkupation der Tschechoslowakei stellten“, so Falkovská.

Tschechiens Staatspräsident Miloš Zeman erachtet die Festnahmen als einen „großen Fehler“. Russland habe sich als Nachfolgestaat der Sowjetunion für die Okkupation entschuldigt. „Daher wäre es eher angebracht gewesen, wenn sich russische Staatsvertreter an die Spitze einer solchen Kundgebung gestellt hätten“, sagte Zeman.