Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zum Umgang mit Flüchtlingen und zum VW-Skandal

30. 9. 2015 - Text: Corinna AntonTextauswahl und Übersetzung: Corinna Anton

Wichtiger Nachbar | Nachdem Tschechien bei der Entscheidung für europäische Flüchtlingsquoten in Brüssel überstimmt wurde, kommentiert die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“: „Die Tschechen sollten die Entwicklung der deutschen Flüchtlingspolitik genau beobachten. Das gilt umso mehr, weil Deutschland für die tschechische Wirtschaft lebenswichtig ist, und weil Tschechien im Sicherheitsbereich mit Deutschland eng zusammenarbeitet und seinem Vorbild folgt. Es wäre naiv zu glauben, dass Tschechien in der Lage sein wird, den Folgen der deutschen Lösung der Flüchtlingskrise zu entkommen oder sogar einen eigenen Weg zu gehen. Denken wir nur daran, wie die Polen auf europäischem Parkett abgestimmt haben. Trotz anfänglichen Widerstands und obwohl sie politisch stärker sind als Tschechien, haben auch sie sich für gute Beziehungen zu ihrem westlichen Nachbarn entschieden.“

 

Falscher Ansatz | Die „Wirtschaftszeitung“ fragt, wie eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik aussehen könnte und fordert, die europäische Rhetorik müsse geändert und Sozialleistungen eingeschränkt werden, bei der Verteidigung der Grenzen sollten Gewalt und Barrieren zum Einsatz kommen und man müsse die Länder entlasten, in denen die meisten Flüchtlinge Zuflucht suchen. „Es kommt auch auf ein vernünftiges Maß an Engagement in den Herkunftsländern an. Dieser Wille darf nicht fehlen. Berlin und Brüssel repräsentieren aber bisher eher das genaue Gegenteil. Und beiden applaudieren die europäischen Eliten. Die Lage ist nicht gut. Seien wir ehrlich: Wenn sich der deutsche Ansatz nicht ändert, besteht nur eine minimale Hoffnung, dass der Zuzug der Flüchtlinge nach Europa geringer wird. Die Krise wird sich stattdessen weiter zuspitzen.“

 

Fragwürdige Kontrolle | Der Volkswagen-Skandal hat auch in Tschechien hohe Wellen geschlagen. Das Magazin „Respekt“ schreibt: „In jedem Fall ist es mehr als verdächtig, dass es zur Enthüllung nicht auf heimischem Boden kam. Die Gründe liegen auf der Hand. Die Europäische Union hat trotz allem Umweltgerede (…) niedrigere regulatorische Anforderungen als die USA. Ähnlich wie die Gesetze genau auf die Autohersteller zugeschnitten sind, handelt es sich bei den Tests in der Praxis in gewissem Maße um eine Parodie ihres eigentlichen Zweckes. Wer heute in Europa glaubt, dass sein Auto tatsächlich den herausragenden Verbrauchswert haben wird, der im Werbematerial des Herstellers angegeben ist, muss naiv sein. Der gesamte Kontrollprozess ist ein Ritual, der mit der Realität nicht viel gemeinsam hat. Alle in der Branche wissen das und alle tolerieren es.“