Im Glauben an ein glückliches Ende

Im Glauben an ein glückliches Ende

Der tschechische Künstler Patrik Hábl bringt ungewöhnliche Installationen in die barocke Klosterkirche von Speinshart in der Oberpfalz

10. 2. 2016 - Text: Sabina PoláčekText: Sabine Poláček; Fotos: Tschechisches Zentrum München

Seit fast 900 Jahren leben in Speinshart in der Oberpfalz Prämonstratenser-Chorherren nach der Regel des heiligen Augustinus. Nun haben sie einem tschechischen Künstler ihr Kloster für eine ungewöhnliche Installation überlassen. Von Aschermittwoch verhüllt Patrik Hábl für 40 Tage das Altarbild in der Nepomukkappelle mit einem „Fastentuch“. Anschließend wird er bis Pfingsten mit einem 14 mal neun Meter großen „Ostertuch“ den gesamten Altarraum der Pfarr- und Klosterkirche verhängen.

Die 1145 gegründete Abtei gilt heute als wichtiges barockes Denkmal. Sie wurde im 17. und 18. Jahrhundert nach Plänen der Baumeisterfamilie Dientzen­hofer neu aufgebaut. 2012 wurde die Restaurierung mit der Weihe eines neuen Altars und der Gründung einer internationalen Begegnungsstätte gefeiert. Regelmäßig finden Ausstellungen und Konzerte statt, auch mit tschechischen Künstlern. Doch eine Aktion wie Hábl sie plant ist für die Patres und für die gut 1.000 Dorfbewohner neu. „Das Kloster hatte Interesse an einer ähnlichen Arbeit, die ich in der Prager Salvatorkirche gemacht habe“, erzählt der im mährischen Zlín geborene Künstler. „Es wäre aber merkwürdig gewesen, ein altes Projekt zu wiederholen, deshalb wollte ich es anders realisieren.“

Für Speinshart hat der 40-Jährige eine Leinwand gestaltet, die in der Fastenzeit das Altarbild in der Nepomukkapelle verdeckt. Durch Falten und verschiedene Methoden des Farbauftrags entstanden abstrakte Formen, die in ihrer Symmetrie an das Turiner Grabtuch erinnern sollen. Damit knüpft Hábl, der an der Prager Akademie für Kunst, Architektur und Design lehrt, an die Tradition des Fastentuchs an, das Kruzifixe, Bilder oder den Altarraum während der Bußzeit vor Ostern verhüllte.

Das zweite Kunstwerk, das von Karsamstag an zu sehen sein wird, ist ebenfalls extra für das Kloster in der Oberpfalz entstanden. Die monumentale weiß-goldene Leinwand, die bis zum Pfingstsonntag den Altarraum der Kirche vom Hauptschiff trennen wird, hat einen schmalen Spalt in der Mitte. Er ermöglicht den Besuchern einen Blick in den Altarraum. „Von der Farbkombination habe ich schon vor Jahren geträumt“, so Hábl. „Gold hat die Eigenschaften eines Spiegels und ermöglicht ein Spiel mit dem Licht.“ Bei der Arbeit an der 14 mal neun Meter großen Leinwand gelangte er an seine physischen Grenzen: „Es war ein riesiges Abenteuer, das Intuition und den Glauben an ein glückliches Ende brauchte.“

Für seine erste Intervention in einem sakralen Raum, die er 2013 in Prag unternahm, brauchte der Künstler außerdem Mut. „Als ich in die Salvatorkirche kam, sah ich, dass es keinen Platz gibt, wo man Bilder aufhängen konnte“, erinnert sich Hábl. Er tauschte 15 originale barocke Altarbilder gegen abstrakte Malerei aus, die er dafür angefertigt hatte. „Natürlich hatte ich Angst vor den Denkmalschützern und dass die Gläubigen in der Aktion eine Entweihung oder Schändung des Raums sehen könnten – aber dem war nicht so.“

Patrik Hábl
Patrik Hábl

In Speinshart musste er keinen Widerstand fürchten. Die Gemeinde und die Patres begrüßten das unkonventionelle Projekt im Rahmen des kulturellen Dialogs, sagt ein Mitarbeiter der Pfarrei. „Man kann durchaus in historischen Räumen einen neuen Blickpunkt setzen und etwas Außergewöhnliches wagen.“ So ungewöhnlich wie die monumentalen Leinwände, so kurios mag auch die Musik von Michal Rataj zur Eröffnung der zweiten Installation am 26. März klingen: Für seine „Missa abstracta“ hat Rataj zehn Jahre lang Geräusche in europäischen Kirchen aufgenommen. Anschließend unterlegte er sie mit Klaviermusik und schuf daraus eine neuartige elektroakustische Komposition.

Screen Tearing – die zerrissene Leinwand. Kunstinstallation von Patrik Hábl in der Pfarr- und Klosterkirche Speinshart, bis 15. Mai, www.kloster-speinshart.de

 


 Bewegte Klostergeschichte

Wenige Jahre nach dem Tod des heiligen Norbert von Xanten, der Stifter des Prämonstratenserordens und von 1126 bis 1134 Erzbischof von Magdeburg, wurde das Kloster Speinshart von der adeligen Familie Reifenberg gestiftet und von Prämonstratenser-Chorherren aus dem Stift Wilten in Tirol besiedelt. Während der Reformation kam das klösterliche Leben zum Erliegen, konnte im Jahr 1661 jedoch durch Brüder aus der oberbayrischen Abtei Steingaden wieder aufgenommen werden. In den folgenden Jahren wuchs die Gemeinschaft, die Stiftskirche und das Kloster wurden im barocken Stil umgebaut. Mit der Säkularisation im Jahr 1803 mussten die Chorherren ihr Haus erneut verlassen. Erst 1921 konnten durch das Engagement des Stiftes Tepl in Böhmen (Teplá) die Klostergebäude in Speinshart zurückgekauft werden. Heute leben neun Mitbrüder im Alter von 20 bis 84 Jahren nach der Regel des heiligen Augustinus im Kloster Speinshart.