Nur noch ehrenhalber

Nur noch ehrenhalber

Schwarzenberg will nicht mehr für Parteivorsitz kandidieren

7. 10. 2015 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: APZ

Was viele schon lange vermuten, steht seit dieser Woche fest. Karel Schwarzenberg wird nicht mehr um das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren. Der Mann, der die liberal-konservative Partei TOP 09 im November 2009 gemeinsam mit Miroslav Kalousek gründete und bereits wenige Monate darauf in die Regierung führte, fühlt sich – wie er selbst sagt – „für die Politik immer weniger geeignet“. Bei einem Treffen der Parteiführung in Český Krumlov (Krummau), einer der ehemaligen Residenzstädte seiner Vorfahren, musste der 77-Jährige am Montag eingestehen: „Ich höre schlecht, das Knie bereitet mir Probleme – der Mensch wird älter, das lässt sich nicht aufhalten.“

Ein „echter Schwarzenberg“ sei es zwar immer gewohnt gewesen, bis zu seinem 80. Lebensjahr zu dienen, doch habe er vor kurzem bei einer Pressekonferenz gemerkt, dass er selbst mit Kopfhörern die Fragen der Journalisten nicht versteht. „In diesem Moment habe ich gewusst, es ist an der Zeit zu gehen.“ Damit meinte Schwarzenberg, der künftig Ehrenvorsitzender sein soll, allerdings nur den Platz an der Parteispitze. Ganz aus der Politik wolle er sich nicht verabschieden. „Zwei Personen motivieren mich zum Bleiben, und das sehr stark – der Präsident und Herr Babiš“, benannte Schwarzenberg seine ärgsten Widersacher. Deshalb wolle er auch bei den Parlamentswahlen im Herbst 2017 erneut antreten, wenn auch nur als Spitzenkandidat für Prag.

Nicht das Gesicht verlieren
Für TOP 09 kommt das einem Rettungsanker gleich – manche würden auch sagen einem Strohhalm, an den sich die Partei klammert. Die offizielle Reaktion legt diesen Verdacht jedenfalls nahe. In der Mitteilung steht kaum ein Wort über den wichtigsten Entschluss in Südböhmen. Dafür irrelevante Informationen und irreführende Aussagen: „Würde es in Tschechien noch Adelstitel geben, Schwarzenberg würde unter anderem den des Fürsten von Krummau tragen“ oder „Er fühlt sich voller Energie und hat Lust auf das politische Spiel um Werte, an die er sein ganzes Leben glaubte“. Und der Titel „Karel Schwarzenberg neodchází“ (zu Deutsch etwa „Schwarzenberg bleibt“) klingt eher nach einem Dementi und grenzt an Realitätsflucht.

Dazu passt auch die Aussage von TOP-09-Vizechef Leoš Heger. „Nach fünf Jahren sind wir auf der politischen Bühne ziemlich etabliert und die Existenz oder künftige Ausrichtung hängt nicht von Namen wie Schwarzenberg oder Kalousek ab.“ Insgeheim jedoch können sich die meisten eine Parteispitze ohne Schwarzenberg schwer vorstellen. Schließlich ist der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Außenminister das Gesicht der Partei. Wie kein anderer verkörpert er das Motto, das sie sich bei ihrer Gründung auf die Fahne geschrieben hat und aus deren Anfangsbuchstaben sich ihr Name herleitet: Tradition, Verantwortung, Wohlstand. Zudem sehen viele Tschechen in Schwarzenberg den einzigen Parlamentarier, der das Erbe von Václav Havel weiterführt: Auch er macht Humanität und Moral zu den Leitsätzen seines Handelns. In der Flüchtlingsdebatte warf der einstige Menschenrechtler „einer Reihe von tschechischen Politikern“ vor, sie würden die Angst der Menschen für eigene Zwecke benutzen. „Die wichtigste Aufgabe der Politik muss es sein, den Bürgern die Angst vor Flüchtlingen zu nehmen“, mahnte Schwarzenberg Ende September bei einer Konferenz in Prag.

Partei im Umbruch
Die Führungsrolle innerhalb der Partei wird wohl nach dem Parteitag im November der frühere Finanzminister Miroslav Kalousek einnehmen. „Sollte er wirklich aufhören, ist es meine Pflicht zu kandidieren“, sagte Kalousek, der seinen Parteikollegen demnächst „neue Visionen“ präsentieren will. Die braucht eine Partei, die sich im Umbruch befindet, auch. Die Bewegung STAN, oft als „Partei der Bürgermeister“ bezeichnet und in den vergangenen Jahren Bündnispartner von TOP 09, will bei den Regionalwahlen 2016 mit einer eigenen Liste antreten. TOP 09 droht der Verlust von Wählerstimmen. Auch der seit Monaten ausgetragene Streit zwischen Kalousek und dessen Nachfolger als Finanzminister Andrej Babiš – Umfragen zufolge der beliebteste Politiker im Land – entwickelt sich immer mehr zum Problem. TOP 09 läuft Gefahr, in der Öffentlichkeit einzig als „Anti-Babiš-Partei“ wahrgenommen zu werden. Die Partei muss an ihrem Profil arbeiten, sich vor allem von den Bürgerdemokraten (ODS) abgrenzen. „Beide Oppositionsparteien unterscheiden sich derzeit vor allem in einem Punkt: Die eine hat Schwarzenberg und die andere nicht“, warnte Václav Dolejší in der Tageszeitung „Hospodářské noviny“.