Nach Straßburg ist Schluss

Nach Straßburg ist Schluss

Die 33-jährige Kateřina Konečná ist Spitzenkandidatin der Kommunisten für das Europaparlament

12. 3. 2014 - Text: Klára BulantováText: Klára Bulantová; Foto: zoner.cz

Im geräumigen Abgeordnetenbüro hängen dünne Reste von Zigarettenrauch in der Luft. Ein Fernseher steht in der Ecke, der Sportkanal läuft. Ob es mich stören würde, wenn sie raucht, fragt mich die zierliche Blondine Kateřina Konečná. Ich frage, ob ich mich anschließen kann. Konečná scheint das zu freuen.

Die Politikerin stammt aus Nový Jičín bei Ostrava und feierte im Januar ihren 33. Geburtstag. Mehr als ein Drittel ihres Lebens hat sie bereits im tschechischen Abgeordnetenhaus verbracht. An der Wand über ihrem Schreibtisch hängt ein Zitat des ersten tschechoslowakischen Präsidenten T. G. Masaryk: „Der Mensch hält viel aus, wenn er ein Ziel hat.“

„Ich will nicht das ganze Land verändern, aber ich möchte die Menschen überzeugen, dass Abgeordnete nicht Leute sind, die von Steuergeldern leben ohne etwas dafür zu tun, sondern die mit allen möglichen Mitteln versuchen zu helfen, wenn Menschen mit echten Problemen zu ihnen kommen“, erklärt sie.

Sie meint damit Probleme, mit denen die Leute in ihr Abgeordnetenbüro in Nordmähren kommen. In der Regel brauchen sie Hilfe bei Konflikten mit Institutionen, zum Beispiel wenn eine Zwangsvollstreckung droht. Außerhalb des „Aquariums“, so nennt sie das Abgeordnetenhaus, fühlt sich die Kommunistin am nützlichsten.

Als sie vor zwölf Jahren als 21-Jährige ins Parlament gewählt wurde, galt sie dort als Exotin. Sie war die jüngste Abgeordnete aller Zeiten, und das ausgerechnet für die Kommunistische Partei (KSČM), deren Mitglieder im Schnitt mindestens seit zehn Jahren Rente beziehen. Klar, dass sie damals in den Fokus der Journalisten geriet. „Das war ein größerer Schock, als die Tatsache, ins Parlament gewählt worden zu sein“, so Konečná. „Die ersten vier Jahre musste ich mich daran gewöhnen, in der Zeitung Dinge zu lesen, die ich nie gesagt habe.“ Inzwischen genieße sie die Freiheit, mit bestimmten Journalisten gar nicht erst zu reden.

Historische Last
Sobald die Rede auf die Wurzeln ihrer politischen Überzeugung kommt, gibt Kateřina Konečná offen zu, dass sie aus einer durch und durch kommunistischen Familie stammt. Es habe da eine Phase in ihrer Entwicklung gegeben, die sie als „Revolte“ bezeichnet; ihren Ursprung hatte diese in der Unvereinbarkeit der elterlichen Ideologie und dem, was sie in der Schule lernte. Zur KSČM fand sie wieder zurück, als diese als einzige Partei 1999 lautstark gegen die Bombardierung Jugoslawiens protestierte. Die Betonung von Pazifismus und einer sozial gerechten Umverteilung entspricht ihren Vorstellungen eines modernen Kommunismus des 21. Jahrhunderts.

„Ich bemühe mich, in die Zukunft zu schauen und nicht darauf, was früher einmal war. Die KSČM hat heute ein demokratisches Programm, und sie wurde nicht verboten, obwohl es solche Anstrengungen gab. Wir haben uns deutlich verändert, und ich sehe das auch innerhalb der Partei. Es gibt dort Mitglieder, die sind deutlich jünger als ich. Die wollen auch nicht damit in Verbindung gebracht werden, was früher war“, kontert die junge Abgeordnete die Kritik an der historischen Last der Partei, die 40 Jahre lang das Machtmonopol im Lande hielt. Sie lehnt es schlicht ab, dass die Geschichte auch jenen Kommunisten vorgehalten wird, die die Zeit vor 1989 nicht erlebt haben.

Kateřina Konečná hatte nie den Drang, in die Politik zu gehen, vielmehr wollte sie sich in Bürgerinitiativen engagieren. Sie protestierte gegen die internationale Intervention in Jugoslawien, gegen die Sitzung des Internationalen Währungsfonds in Prag oder gegen die Einführung von Hochschulgebühren. „Und dann sprachen mich Leute aus meinem Heimatbezirk an, ob ich nicht bei den Parlamentswahlen kandidieren möchte, wenn ich denke, alles besser zu wissen“, erzählt die 33-Jährige vom Beginn ihrer Politikerlaufbahn.

In ihrem Abgeordnetenbüro verbringt sie heute viel Zeit. Manchmal, so erwähnt sie beiläufig, arbeite sie bis spät in die Nacht. Auf der Couch, die zu diesem Zweck gleich neben dem massiven dunkelbraunen Holzschrank steht, liegen sorgsam gestapelte Dokumente.

Klare Prioritäten
Ihr Mandat übt sie größtenteils in einem Milieu aus, das ihrer Partei nicht besonders wohlgesonnen ist. Vorschläge der Opposition erfreuen sich nicht allzu großer Aufmerksamkeit, sodass schon Mal die Arbeit eines halben Jahres einfach im Papierkorb endet. Von 25 Gesetzesvorschlägen, die sie zwischen 2006 und 2010 einbrachte, wurden vier verabschiedet.

Während der letzten drei Jahre der konservativen Regierung war sie weniger erfolgreich – einer akzeptierten Vorlage standen elf abgelehnte gegenüber. „Man lernt damit umzugehen“, sagt Konečná.

Von einer antikommunistischen Stimmung in der tschechischen Gesellschaft will die junge Abgeordnete nichts wissen. Man qualifiziere sie heute nicht mehr nur wegen ihrer politischen Orientierung ab – so wie noch vor zehn Jahren.

Ihre Prioritäten sind klar: Die Menschen brauchen Arbeit, um eine Familie ernähren zu können und sie wollen, dass der Staat sich um sie kümmert, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Ein politisches Programm kann sich nicht langfristig auf das Bashing einer Partei stützen, sagt Konečná.

Demokratie statt Bürokratie
In der Sitzung des Umweltausschusses ist Kateřina Konečná die einzige Frau unter sieben Männern. Sie hört den Ausführungen des neuen Umweltministers Richard Brabec (ANO) zu, hin und wieder macht sie sich mit einem rosa Kugelschreiber Notizen. „Heute war das nur so ein Kennenlernen“, erklärt sie die freundliche Zurückhaltung gegenüber dem neuen Minister. Dennoch ergreift sie als erstes das Wort, stellt Brabec Fragen. Mit dem Thema Umweltschutz beschäftigt sie sich seit 2006. Gleichzeitig ist sie von Beginn ihrer Parlamentskarriere im Auswärtigen Ausschuss tätig.

Was das Engagement des Westens in anderen Staaten angeht, hat sie eine klare Meinung: Man solle sich raushalten. „Die Leute kommen mit ihren Problemen schon alleine klar, auch wenn uns das nicht immer gefällt“. Im Falle Syriens sei humanitäre Hilfe zwar angebracht, Konečná ist allerdings gegen politische oder wirtschaftliche Sanktionen: „Was wurde damit auf Kuba oder in Weißrussland erreicht?“

Bereits zu Beginn ihrer Abgeordnetenkarriere verbrachte sie viel Zeit im Europaparlament: Zunächst als Beobachterin, später als kooptierte Abgeordnete. Jetzt ist sie Spitzenkandidatin der KSČM für die Europawahl. Konečná befürwortet zwar den ursprünglichen Gedanken einer europäischen Integration, die jetzige Europäische Union ist ihr aber zu bürokratisch und zu wenig demokratisch. Es stört sie beispielsweise, dass das Parlament als einziges direkt gewähltes Organ im Vergleich zur EU-Kommission sehr begrenzte Vollmachten hat.

Unabhängig davon, ob sie nach Straßburg gewählt wird, ist dies ihre letzte Legislaturperiode. Und was kommt danach? „Kinder erziehen? Ganz sicher will ich mich aber in Umweltprojekten engagieren. Ich habe in meinem Leben nie etwas geplant, und dennoch hat sich immer etwas ergeben. Ich hoffe, dass es so weitergeht.“