„Man muss die Zentralisierung in der Euro-Zone anerkennen“

„Man muss die Zentralisierung in der Euro-Zone anerkennen“

Die ablehnende Haltung der Regierung Nečas zu den Rettungsmaßnahmen wird sich heimzahlen, glaubt David Král

10. 4. 2013 - Interview: Nancy Waldmann

Polen ist der Musterknabe im Umgang mit der Eurokrise, Tschechien eher das bockige Kind, das Entscheidungen in Brüssel blockiert und die Arme vor den Problemen des krisengeschüttelten Euro-Raumes verschränkt. Warum das so ist und wohin es führen kann, erklärt David Král, Leiter des Prager Instituts für Europäische Politik EUROPEUM im Interview mit PZ-Redakteurin Nancy Waldmann.

Warum hat die Regierung in Prag im Gegensatz zu Warschau keine Bedenken, mit einer euroskeptischen Haltung ins politische Abseits zu geraten?
David Král: Für die Regierung ist das Nachdenken über den Euro nicht mehr als eine Rechenoperation. Und im Moment fällt das nicht zugunsten des Euro aus. Für Polen ist die Euro-Frage eine strategische und ein Bekenntnis zur europäischen Integration. Der polnischen Regierung ist klar, dass vieles, was die Gestalt der EU zukünftig prägt, jetzt entschieden wird. Deswegen hat sie in Warschau auch den Fiskalpakt gegen die Stimmen der Opposition durchgeboxt. Damit sicherte sie sich die Teilnahme an den Gipfeltreffen der Euro-Staaten.

In Polen hat sich ein pro-europäischer Mainstream gegen das von der PiS-Partei angeführte nationalkonservative Lager durchgesetzt. Hat es das pro-europäische Lager in Tschechien versäumt das Image der EU während der Klaus-Ära zu korrigieren?
Král: Tatsächlich haben selbst die pro-europäischen Parteien Václav Klaus fast komplett die Kontrolle über den politischen Diskurs überlassen. Die traditionell europanahen Sozialdemokraten haben im Moment keine pro-europäische Wählerschaft. Innenpolitische Themen dominieren die außenpolitischen, auch die europäischen Fragen. Und in der Politik fehlt einfach ein Schwergewicht, das es in Sachen EU mit Klaus aufnehmen könnte. Warum es in Polen anders ist, hat mehrere Gründe: die gute wirtschaftliche Entwicklung unter Tusk, der profitable Zufluss aus europäischen Geld-Töpfen.

Polen denkt nun sogar über Extra-Konditionen für die Euro-Einführung nach. Der Präsident der Nationalbank Marek Belka sagte kürzlich, es sei für Polen besser, dem Euro-Raum beizutreten, ohne zuvor die zweijährige Phase mit dem festgelegten Leitkurs des Złoty zum Euro zu durchlaufen. Ist die Idee realistisch und wäre das auch für Tschechien eine günstige Option?
Král: Ich glaube, Belkas Vorschlag ist total unrealistisch. Der sogenannte Wechselkursmechanismus II mit nur geringfügiger Fluktuation im Kurs von Euro und Landeswährung ist in den Gründungsverträgen zur gemeinsamen Währung festgeschrieben. Ich wüsste nicht, wie man das rechtlich machen wollte, ohne die Verträge zu ändern. Die Frage, ob die Konvergenzkriterien angemessen sind, ist legitim und auch nicht neu. In der jetzigen instabilen Situation ist das aber eine riskante Debatte. Sie könnte die Büchse der Pandora öffnen und eine Unzahl weiterer Dinge infrage stellen.

Wann sehen Sie Tschechien und Polen im Euro-Raum?
Král: Die Schlüsselentscheidung fällt mit der Teilnahme am Wechselkursmechanismus II. Polen hat trotz Belkas Aussagen signalisiert, dass das ziemlich bald passieren kann. In Tschechien könnte es unter der kommenden Regierung nach den Wahlen 2014 anstehen. Beide Länder sind wirtschaftlich relativ gesund und in der Lage, die Konvergenzkriterien zu erfüllen, wenn der politische Wille da ist. Bei beiden wäre eine Euro-Einführung 2018 oder 2019 realistisch.

Mehr Engagement für die Euro-Rettung könnte angesichts der Rezession in Tschechien teuer werden. Hält man sich allerdings heraus und dabei das eigene Geld zusammen, verliert man politischen Einfluss. Ist das ein Dilemma?
Král: Ja, ein früherer Beitritt zum Euro-Raum bringt kurzfristig Kosten, denn Tschechien wäre eher Geber als Empfänger im Zuge der verschiedenen Rettungspakete. Aber was könnte der tschechische Unwille gegenüber dem Euro langfristig für Folgen haben? Die Kluft zwischen EU-17, den Euro-Staaten, und EU-10, den Beitrittsländern von 2004, macht sich schon jetzt im Europäischen Rat bemerkbar, immer mehr auch in Kommission und Parlament. Das Risiko ist, dass die wichtigen Entscheidungen im Club der Euro-Staaten, nicht in der EU der 27, gefällt werden, und zwar auch in Bezug auf die Fragen, die den gemeinsamen Markt betreffen. Was daran positiv ist, muss die tschechische Regierung wissen.

Sollte sich Tschechien also finanziell mehr engagieren?
Král: Der Rettungsschirm ESM oder Kriterien des Fiskalpakts sind ohnehin nicht bindend, solange Tschechien den Euro nicht hat. Aber wenn man behauptet, dass man an der gegenwärtigen Krise nicht Schuld sei und deswegen auch nicht verantwortlich an einer Lösung mitarbeiten müsse, sendet man sehr negative Signale an die anderen Mitgliedsstaaten. Und das könnte sich einmal heimzahlen, wenn man Verbündete sucht.

Welche Strategie im Hinblick auf die Euro-Einführung ist sinnvoll?
Král: Die Tschechen sollten anerkennen, dass Zentralisierung in der Wirtschafts- und Steuerpolitik im Euro-Währungsgebiet ein unumkehrbarer Prozess ist. Ob mit oder ohne Euro, die Politik innerhalb des Euro-Raums wirkt sich direkt auf Tschechien aus, weil die Wirtschaften eng verflochten sind. Da wäre es ratsam, sich aktiv in die politische Gestaltung des Euro-Raums einzubringen. Aber dann dürfen sich tschechische Politiker nicht wie Buchhalter geben, sondern müssen wie Staatsmänner denken.