Licht und Schatten

Licht und Schatten

Václav Kadlec und Vladimír Darida starteten völlig unterschiedlich in ihre Bundesliga-Karriere

2. 10. 2013 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Eintracht Frankfurt

Auch am letzten Wochenende sah man wieder das gleiche Bild: Václav Kadlec sprintete, grätschte und schoss für Eintracht Frankfurt. Vladimír Darida stand dagegen beim SC Freiburg nicht einmal im Aufgebot.

Beide Tschechen wurden noch im August wie Heilsbringer empfangen. „Ein guter Tag für die Eintracht“, strahlte Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen, als er Kadlec Mitte August präsentierte. „Mit Vladimír Darida kommt ein sehr variabler Fußballer zu uns“, freute sich Freiburgs Sportdirektor Klemens Hartenbach knapp zwei Wochen später.

Beide Klubs brauchen die jungen tschechischen Nationalspieler dringend. Frankfurt greift bei der Verpflichtung vermeintlich treffsicherer Stürmer schon seit Jahren daneben, deshalb soll Kadlec endlich für Tore sorgen. Und der SC Freiburg musste am Ende der vergangenen Saison fünf Stammspieler wegen festgeschriebener Ausstiegsklauseln ziehen lassen, Darida soll die größte Lücke schließen.

Doch ihr „Abenteuer Bundesliga“ begann für Václav Kadlec und Vladimír Darida völlig unterschiedlich: Während der Neu-Frankfurter in seinen ersten vier Partien gleich vier Treffer erzielte, spielte der Neu-Freiburger bisher kein einziges Mal für seinen Klub. Dabei kamen die Talente unter den gleichen Voraussetzungen: Sie waren absolute Wunschspieler ihrer Trainer, wurden von deutschen Europa-League-Startern verpflichtet – und waren beide richtig teuer.

Für Kadlec, gerade mal 21 Jahre alt, überwies Frankfurt rund 3,5 Millionen Euro nach Prag. Darida (23) wurde zum teuersten Transfer in der Freiburger Vereinsgeschichte und kostete etwa vier Millionen Euro, wobei Pilsen bei einem Weiterverkauf noch einen Nachschlag erhalten soll.

Trotzdem zogen sich ihre Transfers – eine weitere Gemeinsamkeit – so lange hin, dass deutsche Medien schon von „Posse“ sprachen. Denn die Hoffnungsträger mussten zuvor noch wichtige Pflichttermine bei ihren tschechischen Vereinen erfüllen.

Kadlec wurde erst von Sparta Prag freigegeben, nachdem er im Spitzenspiel beim punktgleichen Meister aus Pilsen aufgelaufen war – obwohl die Formalitäten zwischen Vereinen und Spieler längst geklärt waren. Trotzdem wäre der Deal möglicherweise noch geplatzt, hätten die Tschechen nicht zuvor gegen den schwedischen Bollklubben Häcken in der Europa-League-Qualifikation den Kürzeren gezogen.

Auch der FC Viktoria Pilsen forderte einen letzten Diensteinsatz, um Unruhe zu vermeiden. Darida musste Pilsen zunächst in den Champions-League-Playoffs gegen Maribor mit einem Tor beim 3:1 zuhause und später in Slowenien zum Einzug in die Gruppenphase verhelfen, bevor er sich direkt am Morgen danach Richtung Freiburg verabschieden durfte.

Im Blickfeld der Deutschen waren die Tschechen schon lange. Spätestens seit Mai pokerte die Eintracht um Kadlec, der in der letzten Saison auf 14 Tore in 26 Spielen kam und insgesamt 39 Treffer in 146 Pflichtspielen aufweist – eine Quote, die Frankfurt hoffen lässt.
Freiburg hatte die Karriere von Darida sogar schon seit eineinhalb Jahren verfolgt. Ein Dutzend Mal habe man ihn beobachtet, erklärte Sportdirektor Hartenbach, dem Daridas hohe Spielkunst bereits als Einwechselspieler aufgefallen war: „So einen verliert man nicht mehr aus den Augen!“

Als die beiden Tschechen endlich da waren, gingen Lobeshymnen über sie nieder. „Er hat ein außergewöhnliches Talent“, begrüßte Frankfurts Trainer Armin Veh seinen neuen Stürmer. Seine Eintracht war Tabellenletzter und mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet, darunter einem beschämenden 1:6 bei Aufsteiger Hertha BSC Berlin, bevor der Tscheche endlich zum dritten Spieltag eintraf – und mit ihm der Erfolg: Sieg in Braunschweig, Kadlec’ erstes Tor gegen Dortmund, ein Doppelpack von ihm in Bremen. Schon beinahe selbstverständlich, dass ihm auch ein Treffer im Europa-League-Duell gegen Girondins Bordeaux gelang.

Moderner Stürmer
Darida sei „ein torgefährlicher, laufstarker Spieler mit einem guten taktischen Gespür“, urteilte Freiburgs Sportdirektor Hartenbach. Besonders freute ihn, dass sich der Neuzugang „trotz vieler Möglichkeiten klar dazu bekannt hat, den nächsten Schritt seiner Profikarriere beim SC Freiburg zu gehen.“ Und er kam trotz seines Alters mit großer Erfahrung: 74 Spiele (16 Tore) in der tschechischen Liga, 28 Einsätze (fünf Treffer) im Europapokal, Stammplatz in der Nationalelf.

Kadlec erwies sich sogleich als moderner Typus eines Stürmers: Fleißig, sehr schnell, technisch stark und beweglich, viel unterwegs, exzellenter Schuss und oft dort anzutreffen, wo es weh tut.

Er habe „gezeigt, dass er sich gut in den Schnittstellen der Innenverteidiger bewegt“, begeisterte sich Frankfurts Vorstand Bruchhagen. Und: „Er hat das, was einen Mittelstürmer auszeichnet: Er steht im richtigen Augenblick an der richtigen Stelle.“

Bei Darida ist dagegen noch nicht einmal klar, welche Position er in Freiburg besetzen soll. Denn der Tscheche trainierte nur ein einziges Mal mit seinen neuen Kollegen, bevor er mit der Nationalelf zu den WM-Qualifikationsspielen fuhr. Prompt zog er sich dort eine Sprunggelenksverletzung zu, die seinen Einsatz für den Sportclub bis heute verhindert.

„Im zentralen Mittelfeld hat er seine absoluten Stärken“, findet Hartenbach. „Vladimír kann die Neuneinhalb spielen, aber auch auf der Sechser- und Achter-Position“, gab Freiburgs Trainer Streich gegenüber der „Prager Zeitung“ in einem Exklusiv-Interview an, „wir werden ihn dort einsetzen, wo wir ihn brauchen.“

Besonders dem Offensivspiel soll Darida neue Impulse verleihen. Der Nationalspieler gilt als laufstarker und technisch versierter Stratege, ausgestattet mit einem guten Auge und präzisen Abschluss.

Vladimír Darida unterschrieb in Freiburg einen Vertrag bis 2018, Václav Kadlec in Frankfurt ein Jahr kürzer. „Mit ihm sehen wir großes Entwicklungspotential“, befand Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner. Deutsche Medien halten Kadlec für das größte tschechische Talent seit Tomáš Rosický, zumal er bereits mit 16 Jahren sein erstes Tor in der Gambrinus-Liga erzielte. Tschechische Experten fürchten dagegen, dass Kadlec der schnelle Ruhm zu sehr zu Kopf steigen könnte, wie dies bei Sparta schon kurzzeitig der Fall war.

In Frankfurt ist man spürbar darum bemüht, die Begeisterung um den jungen Stürmer zu bremsen. „Das waren hoffnungsvolle erste Schritte“, so Bruchhagen. Gleichwohl brauche es „normalerweise ein Jahr, um einen Spieler beurteilen zu können.“

Bruchhagen und Veh mahnen zweifellos wegen ihrer Erfahrungen mit Martin Fenin zur Vorsicht. Kadlec’ tschechischer Landsmann kam im Januar 2008 nach Frankfurt und erzielte in seinem ersten Bundesligaspiel sogar drei Tore. Dann stürzte der U20-Vizeweltmeister jedoch in ein tiefes Loch, wechselte im Sommer 2011 zu Zweitligist Energie Cottbus und gab im folgenden Herbst nach einem folgenschweren Fenstersturz bekannt, dass er an Depressionen erkrankt und von Alkohol und Medikamenten abhängig war. Seit Januar spielt er in der Stadt, aus der Kadlec zur Eintracht kam, allerdings bei Slavia Prag.

Nach sieben Bundesliga-Spieltagen liegt Frankfurt auf Rang 13, Freiburg auf Abstiegsplatz 17. Am kommenden Wochenende erwartet der SC Freiburg die Hessen zum nächsten Heimspiel. Passiert nichts Unvorhersehbares, spielt Frankfurt dort mit Kadlec als Sturmspitze. Hilft Darida dann endlich auch Freiburg?