Kosmische Visionen

Kosmische Visionen

Das Museum Kampa gewährt Einblick in Josef Šímas traumhafte Welten

2. 4. 2014 - Text: Nina MoneckeText: Nina Monecke; Bild: NMCA

 

1920 provozierte der böhmische Avantgarde-Theoretiker Karel Teige mit den Worten „Kunst ist tot. Die schönsten Gemälde der heutigen Zeit sind diejenigen, die von niemandem gemalt wurden“. Von der Anti-Kunst des Dadaismus und der Abstraktion des Surrealismus beeinflusst, gründete er in Prag die Gruppe „Devětsil“ („Pestwurz“), ein politisch engagiertes Künstler-Kollektiv. Dieser Vereinigung gehörte auch der Maler Josef Šíma an. Mittels abstrakter Formen arbeitete er bevorzugt mit landschaftlichen Motiven, Wolken und variierenden Lichteinfällen. Šímas Werk entwickelte sich mit der Zeit zur gegenstandslosen Kunst, die, wenn auch weniger radikal als das Schaffen einiger seiner Kollegen, visionär war.

Das zentrale Thema der überschaubaren Retrospektive im Museum Kampa setzt sich zwar aus über 40 Jahren Schaffenszeit zusammen, konzentriert sich aber hauptsächlich auf Šímas Arbeiten aus der Nachkriegszeit. Im ersten Ausstellungsraum ist die für Šíma so typische, verträumte Landschaftsmalerei zu sehen. Seine Ölgemälde auf Leinwand stehen exemplarisch für die surrealistische Bildhaftigkeit und das Erzeugen einer Traumwelt. So gelingt es dem französischen Maler mit tschechischen Wurzeln, den Betrachter in die schlichte Schönheit der Natur und an ruhige, sagenumwobene Orte zu entführen. Dabei erweckt er Fels und Wiese zum Leben und lässt die Grenze zwischen unbelebten Objekten und Lebewesen verschwimmen.

Ein zweiter Abschnitt beschäftigt sich mit Arbeiten, für die sich der Künstler von der griechischen Mythologie inspirieren ließ. Dabei greift er insbesondere die Geschichte des Orpheus auf. Der singende und dichtende Gott der Antike war für seine Fähigkeit bekannt, jeden Menschen, jedes Tier, jede Pflanze und selbst einen Stein mit seiner Poesie in den Bann ziehen zu können. Aus dem Spiel mit hellen und dunklen Farbtönen lässt sich in Šímas Interpretation der Sage eine dargestellte Szene von Orpheus und seiner Geliebten Eurydike nur vermuten. So könnte sie auch den Abstieg des Singenden in die Unterwelt des Hades symbolisieren, aus der er seine Gattin zu befreien versuchte. Doch dies bleibt Spekulation und man darf es der Phantasie jedes einzelnen Betrachters überlassen, jenes Werk Šímas genauer zu analysieren.

Auch das Gemälde „Sturz des Ikarus“ zeichnet sich durch die typischen Licht-Spielereien aus. So bleibt diese Darstellung eines weiteren Mythos ebenso abstrakt und entrückt. Anhand weniger Farbtupfer lassen sich die Federn erahnen, die langsam zu Boden sinken.

Der letzte Abschnitt der Schau widmet sich Šímas früherem Werk, in dem er sich deutlich auf die Grundsätze von „Devětsil“ besinnt. Filigrane Zeichnungen mit Tinte zeugen von Šímas Tätigkeit als Illustrator für Prosa und Lyrik, die Gemälde weisen die Verwendung einfacher geometrischer Formen auf, die mit starken Kontrasten verknüpft sind. Das letzte Werk „Erinnerung an eine Landschaft, die ich niemals gesehen habe“, das einen kopflosen Frauenkörper in der Natur unter einem wolkenbedeckten Himmel zeigt, ist Ausdruck seines künstlerischen Anspruchs: Kosmische Visionen sollen einen neuen Blick auf die Welt eröffnen und den Betrachter das Besondere im Gewöhnlichen entdecken lassen.

„Josef Šíma. Land – Licht“. Museum Kampa (U Sovových mlýnů 2, Prag 1), geöffnet: täglich 10–18 Uhr, Eintritt: 110 CZK (ermäßigt 60 CZK), bis 29. Juni, www.museumkampa.cz