Kommentar: Der Schandfleck bleibt

Kommentar: Der Schandfleck bleibt

Okamuras Aussagen sollten die Politik zum Umdenken bewegen

6. 8. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: APZ

Tomio Okamura ist bekannt für seine rassistischen und rechtspopulistischen Aussagen. Auch dafür hat ein Teil der Wähler seiner Partei „Morgenröte der direkten Demokratie“ (Úsvit přímé demokracie) den Tourismus-Unternehmer ins Parlament gehievt. „Unterstützung für Familien, nicht für Asoziale“ (zu lesen als Roma) stand auf einem von der Schweizerischen Volkspartei kopierten Wahlplakat zur Europawahl. Noch früher forderte Okamura die Ausweisung der tschechischen Minderheit in einen eigenen Roma-Staat. Jetzt greift der Tschechojapaner gar zur Nazi-Rhetorik.

In einem Interview für das Internetportal „Parlamentní listy“ nannte er das Roma-Konzentrationslager im südböhmischen Lety einen Mythos und eine Lüge. Es habe sich um ein Arbeitslager für Leute gehandelt, die nicht arbeiten wollten. In Lety sei zudem keiner ermordet worden, die Menschen seien an Alter und Krankheit gestorben. Das ist nicht nur eine niederträchtige Beleidigung aller Holocaust-Opfer, es ist eine dreiste Verdrehung historischer Tatsachen. Im Lager Lety waren zwischen 1940 und 1943 insgesamt 1.308 Roma interniert, von denen 327 starben und mehr als 500 nach Auschwitz verschleppt wurden. In den Nazi-KZs wurden 90 Prozent der tschechischen Roma getötet. Das KZ in Lety wurde von tschechischen Kollaborateuren geführt.

Es ist richtig, dass nun die Spitzenpolitiker des Landes – der Präsident, der Premier, Minister und Oppositionsführer – die Aussagen Okamuras verurteilen. Und Menschenrechtsminister Dienstbier ist beizupflichten, wenn dieser Okamura zur Niederlegung aller politischen Ämter aufruft. Aber hierbei dürfen es die tschechischen Politiker nicht belassen.

Auf dem Gelände des Konzentrationslagers steht seit den siebziger Jahren ein Schweinemastbetrieb. Ein Schandfleck der tschechischen Gesellschaft, seit Jahren hagelt es Kritik aus dem In- und Ausland. Und obwohl den Politikern bei jeder Gedenkveranstaltung am Denkmal, das an der einstigen Begräbnisstätte des Lagers steht, der Gestank der Schweinezucht in die Nase steigt, raffte sich bislang keiner dazu auf, die Schweinezucht zu schließen. Okamuras haarsträubende Leugnung sollte nun zum Anlass werden, um den Schandfleck endlich zu beseitigen und eine würdige Gedenkstätte für die Opfer des Roma-Holocaust zu schaffen.