„Keinen entscheidenden Einfluss“

„Keinen entscheidenden Einfluss“

Regierung verteidigt Sanktionen gegen Russland. Dennoch fürchten Unternehmen die Folgen

6. 8. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ

Als die Vertreter der EU-Staaten sich in der vergangenen Woche in Brüssel auf neue Sanktionen gegen Russland einigten, zog auch Tschechien mit. Man habe so gehandelt, dass die EU weiterhin geschlossen auftreten könne, erklärte Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) nach den Verhandlungen. Soweit herrscht auch in Prag weitgehend Konsens. Umstritten ist jedoch, ob Sobotka mit der Aussage richtig liegt, die Sanktionen würden „keinen grundlegenden Einfluss“ auf die tschechische Wirtschaft haben.

Die Maßnahmen, mit denen Russlands Zugang zu europäischen Kapitalmärkten, Waffen und Hochtechnologie unter anderem im Energiesektor erheblich eingeschränkt werden soll, könnten hierzulande 700 bis 1.000 Arbeitsplätze bedrohen, sagte der Minister für Industrie und Handel Jan Mládek (ČSSD) in der vergangenen Woche im Tschechischen Fernsehen. Er hat bereits mit dem Verband der Maschinenbautechnologie (SST) darüber verhandelt, wie die negativen Auswirkungen möglichst klein gehalten werden können. Der Minister kündigte außerdem an, die Regierung werde Firmen, denen infolge der Sanktionen der russische Markt wegbreche, bei ihrem Handel mit anderen postsowjetischen oder weiteren Ländern unterstützen. Über mögliche Ausgleichszahlungen für betroffene Unternehmen wollte er nicht spekulieren, das sei wenn überhaupt eine Frage, die sich erst in ferner Zukunft stellen werde.

Rückgängiger Export
Anders sieht das die Opposition. ODS-Chef Petr Fiala sagte, es sei „logisch“, dass die Sanktionen auch die tschechische Wirtschaft treffen und forderte, die Regierung solle die Unternehmen über mögliche Auswirkungen informieren. Wirtschaftsexperten dagegen äußerten sich zurückhaltend. Sie sehen in den Sanktionen keine Gefahr, weil sie nur Bereiche beträfen, die für die Entwicklung der einheimischen Wirtschaft keine Schlüsselrolle spielten, sagte etwa die Chefökonomin der Raiffeisenbank. Der Vizepräsident des Industrie- und Verkehrsverbands (SP) Radek Špicar erklärte, die Sanktionen würden keinen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts haben. Allerdings könne eine Reihe von Firmen betroffen sein. Mögliche Verluste bezifferte er auf zweistellige Milliardenbeträge.

Laut einer im Juni vom Industrie- und Verkehrsverband durchgeführten Umfrage fürchtet etwa jedes dritte tschechische Unternehmen, das in Russland aktiv ist, die Sanktionen direkt zu spüren zu bekommen. Der Vorsitzende des Verbands der Rüstungsindustrie Jiří Hynek warnte, die Ausfälle, die durch die Sanktionen entstehen, könnten Hersteller aus Asien in relativ kurzer Zeit kompensieren und ihre Position auf dem russischen Markt verbessern.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist der Export nach Russland aufgrund der sinkenden Nachfrage bereits um 1,2 Milliarden Kronen zurückgegangen. Im vergangenen Jahr hatte sich der tschechische Export nach Russland auf etwa 116 Milliarden Kronen belaufen, die Einfuhren auf rund 155 Milliarden Kronen. Auch das Geschäft in der Ukraine ist deutlich eingebrochen. Die Ausfuhren tschechischer Unternehmen dorthin seien im April im Vergleich zum Vorjahr um 51,2 Prozent auf 1,49 Milliarden Kronen gefallen, meldete das Statistikamt (ČSÚ) Ende Juli, im Mai habe der Rückgang 43,1 Prozent betragen.