„In Tschechien verspüre ich keine Akzeptanz mehr“
Warum der ehemalige Nationalspieler Jan Polák lieber in der 2. Bundesliga als in seiner Heimat spielt
23. 7. 2014 - Text: Klaus Hanisch
Er hat in seiner Karriere viel erreicht: Jan Polák war U-21-Europameister mit Tschechien, Meister und Pokalsieger in Belgien und Pokalsieger in Deutschland. Nach sieben Jahren trägt der Tscheche erneut das Trikot des 1. FC Nürnberg. Polák ging 2007 als (Pokal-)Held und soll nun wieder zu einem (Aufstiegs-)Helden werden. Von dem 33-Jährigen wird erwartet, dass er den Rekordabsteiger zum Rekordaufsteiger macht. Mit einem Heimspiel gegen Erzgebirge Aue beginnt für Nürnberg am 3. August die neue Saison.
Deutschland wurde gerade mit einem halben Dutzend Spielern aus der U-21-Europameisterelf von 2009 Weltmeister. Sie waren 2002 ebenfalls U-21-Europameister. Hatten Sie damals auch den Traum, einmal Weltmeister zu werden?
Jan Polák: Wir haben damals lediglich darauf gehofft, einmal in der tschechischen A-Nationalmannschaft spielen zu können. Wir haben diesen Titel einfach gefeiert.
In jener Elf spielten Sie mit Čech, Grygera und Baroš. Warum hat diese große tschechische Generation keinen großen Titel geholt?
Polák: Schwer zu sagen. Das ist immer auch ein wenig Glückssache. Die WM 2006 verlief für uns nach meiner Ansicht unglücklich. Und die EM 2008 war sogar sehr, sehr unglücklich, wir führten gegen die Türken schon mit 2:0 und standen kurz vor dem Viertelfinale, dann bekamen wir noch drei Tore. Es ist oft ein „wenn, dann …“ dabei. Allerdings war die EM 2004 mit dem Halbfinale sicher ein Erfolg, und auch das Viertelfinale bei der EM 2012 war für unser kleines Land nicht schlecht.
Allerdings fehlte Tschechien bei den letzten beiden Weltmeisterschaften. Warum spielt die Nationalelf derzeit keine große Rolle mehr?
Polák: Es muss jetzt eine neue Generation kommen und das könnte ein bisschen länger dauern. Ich will nicht zu kritisch sein, aber der Unterschied zu den Top-Mannschaften ist derzeit schon groß.
Fehlt einfach das Potenzial an guten Spielern in dem kleinen Tschechien?
Polák: Ich denke nicht. Das Potenzial ist da, aber die Arbeit mit den Spielern muss sich ändern. Schon in der U-10 oder U-12 muss sich deren Ausbildung verbessern. In diesem Bereich arbeiten wir noch nicht gut genug, sonst hätten wir mehr Talente, die mit Spielern weltweit konkurrieren könnten.
Sie haben 57 Länderspiele für Tschechien bestritten. Warum tun Sie sich jetzt noch einmal die Zweite Liga an?
Polák: Ich denke, die Zweite Liga in Deutschland ist immer noch besser als die Erste Liga in Tschechien. Die Infrastruktur, die Stadien, die Zahl der Fans, es ist professioneller. In Tschechien kommen in der Regel nicht mehr als 3.000 Zuschauer zu einem Erstliga-Spiel, in Deutschland sind es oft mehr als 10.000 bei einer Zweiliga-Partie. Bei dieser Kulisse fühlt sich ein Spieler einfach wohler. Man hört auch nicht jede Beschimpfung von den Rängen …
Sie haben also noch nicht darüber nachgedacht, Ihre Karriere wie David Jarolím oder Jiří Štajner in der tschechischen Liga ausklingen zu lassen?
Polák: In Tschechien gibt es viel Neid. Wenn man im Ausland gespielt hat, wird man von vielen Tschechen nicht mehr akzeptiert. Das ist auch Jiří Němec und Radek Latal so ergangen (beide spielten für den FC Schalke 04 in der Bundesliga, Anm. der Red.). Als Ausland-Profi muss man Zuhause immer erst wieder seine Stärken beweisen, aber das ist oft schwer mit den Mitspielern dort. Und wenn in einem Spiel etwas schieflaufen würde, wäre also immer zuerst Polák die Zielscheibe … In Nürnberg war ich zuvor nur zwei Jahre und wurde mit Freude wieder aufgenommen. In Tschechien sind die Leute dagegen argwöhnisch, trotz meiner vielen Länderspiele.
Wolfsburgs ehemaliger Trainer Felix Magath nannte Sie in einem Interview mit der „Prager Zeitung“ einen „vorbildlichen Profi, der sich für eine Elf aufopfert“. Gab es keine besseren Optionen, nachdem Wolfsburg Ihren Vertrag nicht mehr verlängerte?
Polák: Doch, aber das Angebot aus Nürnberg hat mich am meisten überzeugt. Als es kam, hat es bei mir gleich „klick“ gemacht. Ich wollte auch wegen meiner beiden Kinder noch eine Weile in Deutschland bleiben. Ich sehe es als Geschenk, dass sie hier weiter ihr Deutsch verbessern können. Außerdem ist es nicht weit bis nach Tschechien. Es ist das Beste für uns, auch wenn ich gerne noch in der Bundesliga gespielt hätte.
Ihr alter und neuer Mitstreiter Javier Pinola sagte, Sie seien für die 2. Liga „einer der wichtigsten Spieler, die der Club holen konnte“. Sehen Sie sich selbst als Führungsspieler für die kommenden Saison?
Polák: Ich muss etwas bieten, weil die Erwartungen hoch und der Umbruch in der Mannschaft groß sind. Fast alle wichtigen Spieler sind weg, die neuen noch jung und mit wenig Erfahrung. Sie brauchen meine Unterstützung, zumindest auf dem Platz. Ich bin kein Torjäger, aber ich werde mein Spiel so spielen, wie ich es immer gemacht habe. Was Ihnen Felix Magath gesagt hat, stimmt – und ich will das auch weiterhin beweisen und auf die anderen Spieler übertragen.
Bei der offiziellen Saisoneröffnung in Nürnberg gaben Ihnen 3.000 Fans den größten Applaus. Den meisten sind Sie noch als einer der Pokalhelden von 2007 in Erinnerung. Wie geht man selbst als erfahrener Spieler mit diesem enormen Druck und den hohen Erwartungen um?
Polák: Für mich ist das nur ein künstlicher Druck durch Medien und Fans. Damit muss man sich nicht beschäftigen. Ich spiele immer unter Druck, zuletzt die ganze Saison lang in Wolfsburg, wo man unbedingt in den Europapokal wollte. Und der wurde auch erreicht. Wenn im Kopf alles stimmt, man sich physisch gut fühlt und es in der Mannschaft passt, dann ist dieser Druck nur virtuell.
Nürnberg hat mit Spielern im Herbst ihrer Karriere sehr gute Erfahrungen gemacht: So mit Ihrem Landsmann Tomáš Galásek von Ajax Amsterdam ab 2006 oder mit dem Belgier Timmy Simons vom PSV Eindhoven ab 2010. Wie fit und motiviert sind Sie noch nach Ihrer langen Karriere?
Polák: Natürlich bin ich motiviert, sonst wäre ich nicht gekommen. Es ist eine Aufgabe, mit dieser Mannschaft wieder in die Erste Liga zu kommen. Die Motivation für uns alle ist groß, auch wenn möglicherweise am Anfang nicht alles klappt und zusammenpasst. Die Vorbereitung war anstrengend, aber ich bin sie gewohnt und weiß, wenn ich entsprechend arbeite, komme ich in Form.
Sie waren mit Tschechien bei der WM 2006 und bei der EM 2008. Valérien Ismaël, Ihr Trainer in Nürnberg, spielte dagegen nicht ein einziges Mal in der französischen Nationalelf und ist nur wenige Jahre älter als sie. Erwarten Sie, dass er Rat bei Ihnen einholt?
Polák: Er hat seine Philosophie, die muss ich als Spieler respektieren. Aber ich denke, es ist gut, wenn ein Trainer das Gespräch mit den Spielern sucht. Und das macht er auch. Ich werde meine Erfahrung einbringen und meine Meinung sagen, doch er muss nicht dauernd mit mir sprechen. Wenn es aber auf dem Platz nicht gut läuft, muss ein Spieler auch mal dem Trainer ein Zeichen geben, dass man etwas ändern muss.
Sie haben den Kontakt nach Nürnberg auch in den letzten Jahren nie ganz abreißen lassen. Hatten Sie damit gerechnet, hier noch einmal zu spielen?
Polák: Ich wollte 2007 nicht aus Nürnberg weggehen, aber es hat sich damals so ergeben. Nürnberg war meine erste Station im Ausland. Es war ein super Gefühl für uns und die Fans, dass wir in meinen ersten beiden Jahren gute Platzierungen in der Bundesliga geschafft und vor allem den Pokal geholt haben. Ich bin froh, dass ich hier noch einmal spielen kann.
Es hat zuletzt kritische Anmerkungen gegeben, weil Sie in Nürnberg einen Vertrag über zwei Jahre erhielten, während Spielern der letzten Saison oft nur Kontrakte über ein Jahr angeboten wurden. Gibt es deshalb Unruhe in der Mannschaft?
Polák: Jeder Spieler bekommt ein Angebot des Vereins. Das kann er annehmen oder nicht. Ich bin auch nicht sauer, wenn ein anderer Spieler mehr verdient als ich.
Mit Ihnen spielen die beiden Tschechen Tomáš Pekhart und Ondřej Petrák in Nürnberg. Ein Vorteil oder eher eine Gefahr für Grüppchenbildungen, wie schon vor dem Nürnberger Abstieg 2008?
Polák: Beim Pokalsieg 2007 haben wir mit Mintal, Vittek, Greško, Galásek, Nikl und Polák gespielt – drei Slowaken und drei Tschechen. Warum soll das ein Problem sein? Natürlich unterhalte ich mich mit einem Landsmann öfter, aber trotzdem kann ich doch mit den anderen gut Fußball spielen. Wichtig ist, dass die Gruppe auf dem Platz zusammenpasst und Probleme löst. Dann ist es mir egal, ob ich mit jemand aus Ecuador, Chile oder China spiele.
Was raten Sie als erfahrener Spieler dem jungen Nürnberger Niklas Stark, der mit der deutschen U-19 gerade die EM in Ungarn als Kapitän spielt, damit er später eine große Karriere vielleicht sogar in der Nationalelf macht?
Polák: Er muss immer an sich arbeiten und sein Talent auf dem Platz beweisen wollen. Niklas ist sehr zielstrebig und hat Spaß am Fußball, das ist wichtig. Und er muss bleiben, wie er ist.
Das Gespräch führte Klaus Hanisch.
Zur Person
Jan Polák debütierte 1998 mit 17 Jahren in der tschechischen Liga beim FC Boby Brünn und wechselte im Sommer 2002 zu Slovan Liberec. Ab der Saison 2005 bestritt er 62 Partien für den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga, erzielte dort vier Tore und gewann 2007 den DFB-Pokal. Danach ging der Tscheche für 3,5 Millionen Euro Ablöse zum RSC Anderlecht, mit dem er 2008 belgischer Pokalsieger und 2010 Meister wurde. Im Januar 2011 verpflichtete der VfL Wolfsburg den Mittelfeldspieler, für den Polák in 73 Bundesligaspielen auflief (2 Tore). Nun kehrt er ablösefrei zum „Club“ zurück. Jan Polák absolvierte 106 Einsätze für tschechische Nachwuchsmannschaften vom U-15- bis zum U-21-Nationalteam. Bereits mit 18 Jahren gab er 1999 sein Debüt in Tschechiens A-Nationalelf und erzielte sieben Tore in 57 Länderspielen.
„So schlimm war`s nicht“
Die Messi-Show