Im Dienste der parlamentarischen Demokratie

Vier Jahre nach der Gründung hat Miroslav Kalousek seine Partei dort, wo er sie haben wollte. Das liberal-konservative Politprojekt ist zur stärksten Kraft rechts der politischen Mitte avanciert. Meinungsforscher trauen TOP 09 und der Bewegung „Starostové a nezávislé“ („Bürgermeister und Unabhängige“) derzeit zwischen 9 und 16 Prozent zu. Im Vergleich zu den Wahlen 2010 – TOP 09 konnte sich nach damals nur einem Jahr Existenz mit 16,7 Prozent zur drittgrößten Parlamentspartei aufschwingen – wäre das zwar ein Rückgang, allerdings steht man inzwischen deutlich vor dem größten Konkurrenten, den Bürgerdemokraten (ODS).

Auf den ersten Blick überrascht das; eingedenk des gescheiterten Experiments „S-Karten“ (eine Art Kreditkarte für Sozialhilfeempfänger) und der Ermittlungen gegen die Abgeordnete Vlasta Parkanová, die eine zentrale Rolle beim überteuerten Einkauf von Militärflugzeugen gespielt haben soll. Ferner zählt Vize-Parteichef Kalousek zu den unbeliebtesten Politikern im Land und ist als ehemaliger Finanzminister das verhasste Gesicht der strikten Sparpolitik.

TOP 09 kann also von Glück reden, dass sich die Koalitionspartner VV und ODS in noch haarsträubendere Skandale verwickelt haben und – dass sie Karel Schwarzenberg haben. Trotz seiner oft schläfrigen Performance als Chefdiplomat und stellvertretender Premierminister bleibt der Aristokrat einer der beliebtesten Politiker im Land und hält vor allem junge, zukunftsorientierte Wähler aus den großen Städten bei der Stange.

Kein Wunder also, dass TOP 09 im aktuellen Wahlkampf auf bewährte Rezepte setzt: starke Präsenz in sozialen Netzwerken und der direkte Kontakt mit dem adeligen Parteichef: Schwarzenberg soll in den verbleibenden vier Wochen sämtliche Regionen bereisen und lädt wie bereits 2010 „Auf ein Bier mit Karel“ ein.

009 statt 007
Am vergangenen Freitag wurden die Gläser zum Start der neuen Kampagne gehoben. Kalousek, dessen alkoholisierte Auftritte im Fernsehen immer wieder für Aufregung sorgen, lehnte das Gläschen Sliwowitz demonstrativ ab. Schwarzenberg nahm einen beherzten Schluck und paffte an seiner Pfeife. Mit der Straßenbahnlinie „TOP 09“ ging es dann mehrere Stunden quer durch Prag. Passagiere diskutierten mit den Kandidaten, Kalousek stimmte zu mährischer Volksmusik ein, an den Haltestellen wurde Wurst und Federweißer gereicht. In den kommenden Wochen soll die Wahltram ihre Runden auch in anderen Städten drehen.

Die Slogans in diesem Jahr: „Víme kam jdeme“, „Víme kam chceme“ – „Wir wissen, wohin es geht“, „Wir wissen, wohin wir wollen“. Wie schon vor den letzten Urnengängen wird Ex-Präsidentschaftskandidat Schwarzenberg poppig in Szene gesetzt. Diesmal in James-Bond-Manier. Als „Agent 009“ handelt er „im Dienst unserer Republik“. Statt mit der Pistole in der Hand blickt der Adelige mit smartem Lächeln von den Wahlplakaten – die Finger zum V geformt.

Vertrauen per Telefon
Dem Parteiprogramm nach will TOP 09 Tschechien näher an Brüssel rücken. Die Partei stilisiert sich in die Rolle des Bewahrers der parlamentarischen Demokratie, die man vor den Machtgelüsten von Miloš Zeman zu bewahren sucht – und grenzt sich damit von der gesamten Linken ab, die laut Kalousek geeint um den Präsidenten steht. „Freiheit und Recht sind die Grundsteine unseres Staates“, so Schwarzenberg am vergangenen Freitag, „und darauf baut unser Programm.“

Konkrete Punkte aus dem Wahlprogramm: Man möchte den Eintritt Tschechiens in die Eurozone festlegen – zwischen den Jahren 2018 und 2020. TOP 09 hält an der Einführung von Studiengebühren fest und an einer „sozial sensiblen“ Patientenbeteiligung bei der Finanzierung des Gesundheitswesens. Einsetzen möchte man sich für bessere Bedingungen für Lehrer und dafür, dass mindestens ein Drittel der Schüler bereits in der Sekundarstufe Auslandserfahrung sammelt. Einführen möchte TOP 09 gemeinsame Sozial- und Rentenversicherungskonten für Ehepartner. Den Arbeitsmarkt wollen die Liberal-Konservativen mit niedrigeren Sozialabgaben seitens der Arbeitgeber ankurbeln – günstigere Arbeitskräfte bringen mehr Beschäftigung, so die Rechnung von Kalousek. Das dadurch entstehende Loch in der Haushaltskasse wolle man etwa mit höheren Grund- oder Verbrauchersteuern ausgleichen.

Nach drei Jahren in der Regierungsverantwortung muss TOP 09 auch das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen. Helfen soll dabei eine Telefonkampagne und ein transparentes Konto, auf dem jeder die Finanzierung der auf 50 Millionen Kronen (knapp 1,93 Millionen Euro) veranschlagten Kampagne nachverfolgen kann.

 

 

IM PROFIL

Gründung: 2009
Parteivorsitzender: Karel Schwarzenberg
Hauptsitz: Michnův palác, Michna-Palais (Újezd 40, Prag 1)
Ausrichtung: liberal, konservativ
Europapartei: Europäische Volkspartei (EVP)
EP-Fraktion: nicht vertreten
Mitgliederzahl: 3.810 (05/2013)
Farbe: Violett
Mandate im Abgeordnetenhaus: 42/200
Mandate im Senat: 1/81
Mandate im Europaparlament: o/22