Ich hab Polizei

Ich hab Polizei

Finanz- und Innenminister streiten über neue Struktur der Eliteeinheiten. ANO erwägt Austritt aus der Regierung

15. 6. 2016 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: APZ

Schade, dass Jan Böhmermann kein Tscheche ist. Sonst könnte der Satiriker nun seinen Rapsong „Ich hab Polizei“ neu auflegen und das Musikvideo prominent besetzen: mit Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) und Finanzminister Andrej Babiš (ANO) in den Hauptrollen. Denn die beiden streiten gerade um die Polizei – genauer gesagt um die Eliteeinheiten, die derzeit noch unabhängig voneinander organisierte Kriminalität und Finanzverbrechen aufklären.

Künftig soll es für beide Bereiche eine Zentrale geben, findet Chovanec. Babiš ist dagegen. Aber darum geht es offenbar gar nicht mehr. Zumindest nicht nur. Stattdessen messen die beiden Minister ihre Kräfte und giften sich – öffentlich für alle zum Mitlesen – auf Twitter an. „Nicht mal am Wochenende“, schrieb die Boulevardzeitung „Blesk“, hörten die Minister auf, sich „über die Polizei, die Koalition und wohl auch über die Qualität des Mittagessens im Regierungsgebäude“ zu streiten. Die Vermittlerrolle hat nun ausgerechnet Präsident Miloš Zeman übernommen, der sich sonst bekanntlich eher aufs Polarisieren als aufs Einen versteht.

Man muss ein paar Tage zurückblicken, um nachzuvollziehen, weshalb sich die Minister so ankeifen – am Sonntag postete Babiš unter anderem ein Foto von Chovanec, KDU-ČSL-Chef Pavel Bělobrádek und dem TOP-09-Vorsitzenden Miroslav Kalousek mit dem Titel „Schon bald. Wie gefällt Ihnen die neue Minderheitsregierung?“

„Professionell vorbereitet“
Zunächst verkündete in der vergangenen Woche Polizeipräsident Tomáš Tuhý, die Polizei wolle ab Juli eine Nationale Zentrale aufbauen, in der die Abteilungen für die Bekämpfung von organisiertem Verbrechen und von Korruption und Finanzkriminalität zusammengefasst werden sollen. Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien befassten sich mit der Umstrukturierung, woraufhin Vizepremier Bělobrádek weitere Informationen vom Innenminister und vom Polizeipräsidenten forderte. Die ANO-Partei verlangte ein Treffen mit den Koalitionspartnern. Justizminister Robert Pelikán (ANO) sprach sich gegen die Umstrukturierung aus und dachte laut über einen Rücktritt nach. Chovanec verteidigte die – seiner Meinung nach professionell vorbereiteten – Pläne. Er sehe keinen Grund, sie nicht zu unterschreiben. Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) stärkte seinem Innenminister und Parteikollegen den Rücken: Die Angelegenheit falle in den Kompetenzbereich des Ministers und des Polizeipräsidenten, die Politik solle sich nicht einmischen.

Es folgten Gespräche und Verhandlungen, an deren Ende Babiš seinem Kollegen Chovanec vorwarf, die Polizei zu destabilisieren. Der Innenminister wiederum bezichtigte den Finanzminister einer Desinformationskampagne und erklärte, seine Partei überlege, ob sie noch länger in der Regierungskoalition bleibe.

Inzwischen ringen die Ministerkollegen um einen Tag. Chovanec will ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrates am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) abwarten. Dabei soll darüber beraten werden, dass die Staatsanwaltschaft in Olomouc nun wegen der Umstrukturierungspläne ermittelt. Dahinter steckt offenbar der Verdacht, das tatsächliche Ziel der Neuerungen sei es, den Chef der Abteilung für die Bekämpfung organisierter Kriminalität Robert Šlachta abzusetzen. Der hat sein Amt in der vergangenen Woche bereits niedergelegt. Am Montag wurde unter anderem Polizeipräsident Tuhý verhört. Die Ergebnisse wertet die Staatsanwaltschaft noch aus. Am Treffen des Sicherheitsrats darf nun außerplanmäßig auch Pelikán teilnehmen. Šlachta dagegen erhielt keine Einladung. Vorab hatte Babiš gesagt, er wolle nur kommen, wenn unter anderem diese beiden ebenfalls mit am Tisch sitzen.

Salomonischer Zeman
Sollte der Innenminister wie angekündigt im Anschluss an das Treffen des Sicherheitsrates die Pläne unterschreiben, so Babiš, dann werde ANO dessen Rücktritt verlangen. Er will, dass die Regierung am Mittwoch gemeinsam eine Lösung findet.

Präsident Zeman hat die Streithähne am Montagabend getrennt voneinander empfangen – und offenbar beiden glaubhaft vermittelt, er stehe auf ihrer Seite. Chovanec hatte bei dem Treffen eigenen Angaben zufolge das Gefühl, dass der Präsident nicht gegen die geplanten Änderungen sei. Babiš sagte, Zeman wolle sich erst am Mittwoch eine Meinung bilden. Dieser äußerte sich dann doch schon am Dienstag. Über seinen Sprecher Jiří Ovčáček rief er – ungewohnt salomonisch – die Regierungs­koalition auf, noch bis zu den Parlamentswahlen im kommenden Jahr durchzuhalten. Ob sie das schaffen, ist derzeit wohl so ungewiss wie die Zukunft der Eliteeinheiten. Sicher scheint nur: Der nächste Koalitionskrach kommt ganz gewiss.