„Grenzen für politische Willkür“

„Grenzen für politische Willkür“

Korruptionsexperte Bureš fordert Profis und klare Regeln

5. 6. 2013 - Interview: Martin Nejezchleba

Radim Bureš hat alle Hände voll zu tun. Er leitet im Moment das Büro von Transparency International in Tschechien. In der jüngsten Rangliste des Korruptionsindex landete sein Land auf Platz 54 – punktgleich mit der Türkei und knapp vor Namibia. Im Gespräch mit PZ-Redakteur Martin Nejezchleba erklärt Bureš, dass Tschechien im Kampf gegen Korruption vor allem eines braucht: ein Beamtengesetz.

Warum braucht Tschechien das Beamtengesetz, auf das die EU so pocht?
Bureš: Beamte beeinflussen das öffentliche Leben grundlegend mit. Sie bestimmen, wohin ein Großteil der öffentlichen Gelder fließt, sie formen Rahmenbedingungen für die öffentlichen Dienste. Es muss sichergestellt werden, dass all das mit der größtmöglichen Professionalität erledigt wird, dass das öffentliche Interesse stets gewahrt bleibt.

Was alles sollte das Beamtengesetz regeln?
Bureš: Es muss sicherstellen, dass die Posten in den Behörden über transparente und effektive Auswahlverfahren besetzt werden. Dass die Fähigsten an die Spitze der amtlichen Karriereleiter gelangen. Und, dass das durch die Politik formulierte öffentliche Interesse innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen realisiert wird. Zur Entscheidungsfindung benötigen die Politiker qualitativ hochwertige Arbeitsmaterialien – diese zu erstellen ist Aufgabe der Beamten. Wenn man all das zusammennimmt, dann haben sie eine funktionierende staatliche Behörde. Das Gesetz muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen und auf der anderen Seite die Willkür mancher Politiker und die Möglichkeiten von Korruption einschränken.

In der vergangenen Woche hat das Parlament den Entwurf eines solchen Gesetzes verhandelt und für zwei Wochen auf Eis gelegt. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht?
Bureš: Schlecht ist vor allem, dass das Innenministerium dieses Gesetz bereits zum dritten Mal vorlegt hat. Es wird zwar jedes Mal verändert, aber das grundlegende Problem bleibt. Dem Gesetzestext fehlt eine grundlegende Trennung zwischen Beamten- und Politsphäre. Es ermöglicht etwa dem Minister, am Ende eines Auswahlverfahrens entscheidend einzugreifen. Das Gesetz sieht auch kein übergeordnetes Organ vor, dass die Einhaltung des Gesetzes überwacht. Und: Das Prämiensystem, das sehr korruptionsanfällig ist, bleibt unangetastet. Solange man jemandem unbegrenzt Prämien ausbezahlen und ihm diese wieder wegnehmen kann, kann man ihn auch unbegrenzt manipulieren. Wir fordern die Rückkehr zum Gesetz von 2002, das wesentlich komplexer ist und bereits verabschiedet wurde. Es ist nur nie in Kraft getreten.

Wie geht das: Verabschiedet und nicht in Kraft getreten?
Bureš: Die Verhandlungen über das Gesetz wurden immer wieder aufgeschoben. Als es dann verabschiedet wurde, sind nur wenige Paragraphen in Kraft getreten. Und diese werden teilweise überhaupt nicht eingehalten. Beispielsweise war die Einrichtung einer Staatlichen Behördenaufsicht vorgesehen, doch wurde diese irgendwann wieder abgeschafft. Was die übrigen Teile des Gesetzes betrifft, hat das Parlament immer wieder für einen Aufschub gestimmt.

Sie engagieren sich in der Initiative „Rekonstrukce státu“ („Erneuerung des Staates“) und fordern neun konkrete Schritte zur Korruptionsbekämpfung. Wie wichtig ist dabei die sogenannte Entpolitisierung der Behörden?
Bureš: Das ist einer von drei entscheidenden Punkten. Denn das hätte eine komplexe und langfristige Wirkung. Die Veröffentlichung von Staatsverträgen im Internet ist zwar wichtig, aber eher von partieller Bedeutung. Besonders weitreichenden Einfluss hätten auch die Offenlegung der Besitzverhältnisse von Politikern und eine transparente Parteienfinanzierung.