Freie Fahrt für Rettungskräfte

Freie Fahrt für Rettungskräfte

Abkommen in Karlovy Vary unterzeichnet: An der sächsischen Grenze verschwinden die Hürden für Sanitäter und Patienten

1. 12. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Radim Holiš/CC BY 3.0

Endstation Grenzübergang, bitte alle aussteigen, dieser Krankentransport endet hier. So oder so ähnlich klingt es derzeit, wenn Rettungskräfte im Erzgebirge einen Patienten in die nächste Klinik bringen wollen. Sie dürfen nur bis zur Grenze fahren, dort müssen sie Menschen mit gebrochenem Bein oder Kreislaufkollaps ihren Kollegen aus dem jeweils anderen Land übergeben. Wertvolle Zeit kann dabei verloren gehen. Noch in diesem Winter soll damit Schluss sein. Rettungskräfte aus Böhmen und aus Sachsen dürfen künftig im Bedarfsfall auch auf die andere Seite der Grenze fahren. Das regelt ein Vertrag, den Vertreter beider Länder am Mittwoch vergangener Woche in Karlovy Vary (Karlsbad) unterschrieben.

Die Zusammenarbeit solle vor allem gewährleisten, dass Skifahrer im Fall eines Unglücks gut versorgt würden, die Sanitäter könnten nun „hundertprozentig im Sinne des Patienten entscheiden“, sagte der Leiter der Rettungsdienste im Kreis Karlovy Vary Roman Sýkora. Lokalpolitiker beklagen seit langem die bürokratischen Hürden, die der Kooperation im Gesundheitsbereich im Weg stehen – zumal im Grenzgebiet mancherorts akuter Ärztemangel herrscht. Bisher werden tschechische Patienten oft ins viele Kilometer weiter entfernte Krankenhaus auf böhmischer Seite gebracht, statt in ein näher gelegenes sächsisches. Oder sie müssen lange auf tschechische Helfer warten, obwohl die deutschen schneller am Einsatzort wären.

Nun wollen sich die Rettungsdienste abstimmen. „Unsere Einsatzzentralen werden in direktem Kontakt stehen“, so Sýkora. „Wir können künftig auch auf der deutschen Seite helfen und wir können unsere Patienten über die Grenze bringen. Wir müssen sie nicht mehr übergeben, was manchmal würdelos ist.“ Außerdem dürfen tschechische Rettungsdienste nun auch in Deutschland mit Blaulicht fahren und Betäubungsmittel über die Grenze transportieren. All das gilt umgekehrt auch für die sächsischen Einsatzkräfte. Die Zusammenarbeit könne Menschenleben retten, ist sich Sýkora sicher. Damit es nicht zu Missverständnissen komme, will der Leiter der Rettungsdienste versuchen, die Sprachkenntnisse der Helfer zu verbessern. „Wir werden zweisprachige Formulare verwenden, aber wir haben auch schon einige Mitarbeiter, die absolut fließend Deutsch sprechen.“

Das Abkommen gilt für die gesamte 454 Kilometer lange tschechisch-sächsische Grenze. Es ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen und das erste dieser Art in Tschechien. Ähnliche Probleme wie im Erzgebirge gibt es aber auch weiter südlich, an der böhmisch-bayerischen Grenze. So ist zum Beispiel in Aš der Ärztemangel deutlich zu spüren. Statt sich im nahem Selb behandeln zu lassen, müssen Kranke aber oft bis nach Cheb oder Mariánské Lázně fahren (die PZ berichtete in Ausgabe 40/2015). Doch auch dort gibt es Hoffnung auf Besserung: „Im kommenden Jahr werden wir über eine ähnliche Zusammenarbeit an der bayerischen Grenze verhandeln“, verspricht der Hauptmann des Karlsbader Kreises Martin Havel (ČSSD).

Während Rettungsdienste künftig freie Fahrt über die tschechisch-sächsische Grenze haben, müssen Reisende in der Region derzeit damit rechnen, angehalten zu werden. Nach den Terroranschlägen in Paris verstärkte Deutschland die Grenzkontrollen auch an den Übergängen zu Tschechien – so zum Beispiel auf der Autobahn A17 zwischen Ústí nad Labem und Dresden. In den vergangenen Wochen staute sich deshalb mancherorts der Verkehr nach Deutschland, es bildeten sich Autoschlangen an den Übergängen, die bis auf die tschechische Seite reichten – ein Bild, von dem viele in der Region eigentlich meinten, es gehöre der Vergangenheit an.