Fragwürdiger Garant
EU-Parlamentarierin prangert Interessenskonflikt des Finanzministers an
2. 4. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ
Ist Finanzminister und Konzerneigentümer Andrej Babiš (ANO) noch immer ein Unternehmer und somit in einem Interessenskonflikt? Darüber ist in den vergangenen Tagen erneut eine Diskussion entbrannt, die von der deutschen Europaabgeordneten Inge Gräßle (CDU) entfacht wurde und sich mittlerweile zum Koalitionsstreit zwischen Babiš und Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) entwickelt hat.
Gräßle hatte bei einem Arbeitsbesuch des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments in Prag gesagt, sie beobachte den Interessenskonflikt im tschechischen Finanzministerium „mit großer Sorge“. Sollte er nicht gelöst werden, dann werde sich die Zusammenarbeit der EU mit Tschechien ihrer Meinung nach schwierig gestalten. Die Parlamentarierin erklärte, die Firmen des Finanzministers erhielten 2,6 Millionen Euro aus den EU-Fonds, Babiš sei jedoch Kraft seines Amtes auch der Garant gegenüber der EU dafür, dass die Mittel aus den Fonds ordnungsgemäß verteilt würden. „Wie kann jemand mit so massiven persönlichen finanziellen Interessen gleichzeitig der Gewährsmann sein“, fragte Gräßle. Die beste Lösung wäre der CDU-Politikerin zufolge, wenn Babiš sein Firmenimperium verkaufen oder einem Beauftragten übergeben würde.
Der Finanzminister, der seinen Geschäftsführerposten nach seinem Amtsantritt aufgegeben, seinen Konzern aber nicht verkauft hatte, erklärte daraufhin, Gräßle habe falsche Informationen. Er denke nicht daran, aus seinem Unternehmen auszusteigen. Er halte sich an das Gesetz und müsse sich nur vor seinen Wählern verantworten, nicht vor Gräßle.
Anders sieht das der Premierminister: „Am einfachsten wäre es, wenn Herr Babiš seine unternehmerische Tätigkeit beenden würde und sich von nun an nur der Politik widmen würde“, schaltete sich Sobotka in die Debatte ein. Der Finanzminister warf dem Regierungschef daraufhin vor, er wisse nicht, was es bedeute, unternehmerisch tätig zu sein. „Ich bin kein Unternehmer, ich bin Eigentümer von 100 Prozent der Agrofert-Aktien“, so Babiš. In einer Radiosendung forderte er, Sobotka solle ihn doch abberufen oder sich einen anderen Koalitionspartner suchen. Der Regierungschef habe ihm niemals persönlich gesagt, dass er sein Firmenimperium aufgeben soll, sondern nur über die Medien, so der Minister.
Die Wähler stören sich an einem möglichen Interessenskonflikt des ANO-Chefs offenbar nicht. Wären jetzt Parlamentswahlen, würde ANO einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM zufolge mit 28,9 Prozent der Stimmen als klarer Sieger hervorgehen. Sobotkas Sozialdemokraten kämen auf nur 20,5 Prozent.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“