Endspiel für Team Europa

Endspiel für Team Europa

Prominente Tschechen wenden sich an die britische Öffentlichkeit – auch Nationaltorwart Petr Čech warnt vor dem Brexit

8. 6. 2016 - Text: Katharina WiegmannText: kw/čtk; Foto: cer.org.uk

Ausnahmsweise liegt es nicht in Petr Čechs Händen, wie die Partie ausgeht. Ob die britischen EU-Gegner mit ihrer Kampagne für den Brexit einen Volltreffer landen, entscheidet am 23. Juni die britische Bevölkerung. Kampflos will der Fußballer, der seit zwölf Jahren für Londoner Vereine im Tor steht, das Match aber nicht verloren geben. Gemeinsam mit anderen Prominenten, darunter Wissenschaftler, Politiker und Intellektuelle, unterschrieb er einen offenen Brief, der an das Verbindende zwischen dem Vereinigten Königreich und Kontinentaleuropa erinnert.

Großbritannien sei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einer der ersten Staaten gewesen, der den mittel- und osteuropäischen Staaten Freundschaft angeboten, die Nato-Erweiterung und den EU-Beitritt dieser Länder – auch Tschechiens – unterstützt habe. Die Unterzeichner appellieren an die britische Öffentlichkeit, die Konsequenzen eines Austritts für die gesamte Union zu bedenken: Europa würde eines von zwei Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat verlieren, eine von zwei Atommächten, ein bedeutendes Zentrum der Finanzindustrie, Hochschulausbildung und Forschung. „Und nicht zuletzt eine geopolitische, kulturelle und historische Brücke zu unseren Freunden und Partnern auf der anderen Seite des Atlantiks.“

Umgekehrt würde Großbritannien ohne die EU mit den Bedrohungen durch Nationalismus, Populismus, Migration und Intoleranz alleingelassen. Und es müsste sich einer neuen Herausforderung stellen: „Wenn es seine Tür für EU-Bürger verschließt, muss es in anderen Teilen der Welt nach Arbeitskräften suchen.“

Der Arsenal-Torwart Čech hat noch miterlebt, was bürokratische Hindernisse bedeuten. Schon 2002 hatte er ein Angebot aus der Premier League, konnte es aber aufgrund der Hürden für Bürger aus Drittstaaten nicht wahrnehmen. Er ging ins französische Rennes und wechselte erst 2004 nach London. Nach zwölf Jahren in Großbritannien hätte er nach einem Austritt zwar kein Problem mit seiner Aufenthalts­erlaubnis. Für seine jüngeren Kollegen könnte es aber schwierig werden.

Aktuellen Umfragen zufolge wird es bei der Abstimmung in zwei Wochen eng: Die Financial Times ermittelte am Montag 45 Prozent Befürworter des Verbleibs in der EU gegenüber 43 Prozent für den Brexit.

Initiiert hatte den Brief der ehemalige tschechische Botschafter in London Michael Žantovský. Er richtete das Schreiben an den britischen Dramatiker Sir Tom Stoppard, der als Tomáš Strauss­ler 1937 in Zlín geboren wurde. „Wir glauben fest daran, dass wir unsere europäische Identität gemeinsam besser erhalten können als getrennt. Dafür sind wir bereit, die britischen Bedenken gegenüber Europa zu diskutieren und gemeinsam die überfälligen Reformen anzustoßen, von denen wir alle profitieren würden.“ Auch Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) hatte in den vergangenen Monaten vor einem Brexit gewarnt. Ein Austritt Großbritanniens könne eine Welle von Nationalismus und Separatismus in Europa auslösen – ein Dominoeffekt sei nicht ausgeschlossen. Petr Čech und den anderen Unterzeichnern bleibt nur eines: Daumendrücken für Team Europa.