Eine Herzensangelegenheit

Eine Herzensangelegenheit

Sobotka und Seehofer demonstrieren in Prag Eintracht. Beide reden lieber über die Zukunft als über die Vergangenheit

3. 7. 2014 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton

Eine kleine Geste? Wenn Politiker zu offiziellen Amtsbesuchen anreisen, wird oft viel hineininterpretiert in jedes noch so unscheinbare Detail. Beim Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) war es am Donnerstag vergangener Woche eine blau-weiße Miniatur-Flagge am Rednerpult, die Anlass zu Spekulationen gab: Wollten die Gastgeber im tschechischen Regierungsamt ein freundliches Zeichen setzen – wenn schon groß auf dem Podium aus protokollarischen Gründen neben der tschechischen eine deutsche Flagge hängen musste und keine bayerische? Wenige Minuten später ließ der gemeinsame Auftritt Seehofers mit Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) keinen Zweifel daran, dass die bayerischen Landesfarben nicht nötig gewesen wären: Seine Reise nach Prag bezeichnete Seehofer als „Herzensangelegenheit“ und lobte das „gute persönliche Gespräch“ mit Sobotka. Die „lockere, leichte, menschliche Art und Weise“ der ersten Begegnung lasse nur Gutes für die Zukunft erwarten. Der tschechische Regierungschef sprach von einem „neuen, sehr intensiven und persönlichen Kapitel“ der bilateralen Beziehungen, das „stark auf die Zukunft orientiert“ sei.

Gegenstand des etwa einstündigen Gesprächs der Spitzenpolitiker war unter anderem ein Abkommen zur Wissenschaftskooperation, von dem sich beide Länder mehr grenzüberschreitenden Austausch zwischen Schülern, Studenten, Forschern und Unternehmen erhoffen. Die Nachbarländer Bayern und Tschechien unterstützten mit der Absichtserklärung sowie mit finanzieller Förderung die „Internationalisierung“ der Wissenschaft, so Seehofer. Der ebenfalls mit nach Prag gereiste bayerische Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte, der Freistaat und Tschechien würden in den kommenden fünf Jahren gemeinsam 500.000 Euro für neue Forschungskooperationen zwischen bayerischen und tschechischen Hochschulen zur Verfügung stellen.

Der Premier und der Ministerpräsident tauschten sich außerdem über die mangelhaften Verkehrsverbindungen zwischen Prag und Nürnberg oder München vor allem auf der Schiene aus: „Ich nehme zur Kenntnis, dass wir eine gewisse Bringschuld haben“, sagte Seehofer und kündigte an, er werde im Juli Spitzengespräche mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und hochrangigen Vertretern der Deutschen Bahn führen. Mit nach Prag war auch die Präsidentin des Bayerischen Landtags Barbara Stamm (CSU) gereist, um mit tschechischen Kollegen über eine engere Zusammenarbeit der Abgeordenten zu sprechen.

Seehofer und Sobotka wollen schon in wenigen Monaten wieder zusammenkommen, wenn die offizielle Vertretung des Freistaats in Prag ihre Tätigkeit aufnehmen wird. Die Repräsentanz im Prager Zentrum, die derzeit saniert wird, soll nach den Worten des Ministerpräsidenten noch in diesem Jahr in Anwesenheit des tschechischen Regierungschefs eingeweiht werden: „Wir haben vereinbart, dass wir uns bei der Eröffnung wieder treffen“, so Sobotka. Dem Premier zufolge soll die von seinem Amtsvorgänger Petr Nečas (ODS) und Seehofer begründete Tradition der gegenseitigen Besuche fortgesetzt werden. Er freue sich auf eine Möglichkeit, nach Bayern zu fahren, fügte er hinzu.

Die fast schon obligatorische Frage der mitgereisten bayerischen Journalisten nach dem Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit beantwortete Sobotka mit seinem ebenfalls fast schon obligatorischen Verweis auf die Deutsch-Tschechische Erklärung aus dem Jahr 1997. Diese sei eine „gute Grundlage“ für die Weiterentwicklung der Beziehungen. Im Übrigen habe sich auch Nečas bei seiner viel gelobten Rede im Bayerischen Landtag genau darauf bezogen, ergänzte Seehofer – wohl um jeden Verdacht auszuräumen, das Verhältnis könnte sich nach dem Machtwechsel in Tschechien wieder abkühlen. Im Rahmen seines zweitägigen Arbeitsaufenthaltes in Prag besuchte der bayerische Ministerpräsident außerdem gemeinsam mit dem tschechischen Kulturminister Daniel Herman (KDU-ČSL) die Wanderausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ im Schloss Belvedere auf der Prager Burg.