„Ein tragischer Irrtum“

„Ein tragischer Irrtum“

Trotz geringer Zahlen lehnen Tschechien und die Slowakei Quoten für die Aufnahme von Asylbewerbern ab

20. 5. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Foto: Noborder Network

„Niemand kann von uns verlangen, dass wir diesen selbstmörderischen Schritt machen und Menschen aufnehmen, um die wir uns nicht kümmern können.“

Mit diesem Satz kommentierte der Vorsitzende der tschechischen Christdemokraten und Vizepremier Pavel Bělobrádek (KDU-ČSL) den Plan der EU-Kommission, Flüchtlinge künftig gemäß einer Quote auf die 28 Mitgliedstaaten der Union zu verteilen.

Wegen der andauernden humanitären Katastrophe im Mittelmeer hatte die Kommission am Mittwoch vergangener Woche ein System vorgestellt, nach dem sie die Asylbewerber „fair und ausgewogen“ den einzelnen Ländern zuweisen will. In die Berechnung sollen unter anderem der Wert des Bruttoinlandsproduktes, die Bevölkerungszahl, die Arbeitslosenquote und die Menge der bereits aufgenommenen Flüchtlinge einfließen. Bis Ende des Monats will die Kommission außerdem ein Programm für die legale Einwanderung von 20.000 Migranten aus Drittländern im Verlauf der nächsten beiden Jahre vorschlagen. Tschechien sollte der Kommission zufolge 525 schutzbedürftige Personen aufnehmen.

Trotz der relativ geringen Zahl sorgt der Vorschlag der EU-Kommission hierzulande und in anderen mittel- und osteuropäischen Staaten für kritische Diskussionen. „500 Flüchtlinge könnte Tschechien sicher verkraften“, gab sich Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) zwar optimistisch, stellte aber zugleich klar, dass er wissen wolle, zu welchen Bedingungen die Aufnahme erfolgen und wie es danach weitergehen werde. Außerdem werde die Regierung fragen, warum Tschechien mehr Flüchtlinge aufnehmen solle als zum Beispiel Schweden, kündigte Chovanec an.

„Rechtlich nicht möglich“

Premierminister Sobotka lehnt die Quote weiterhin ab. Beim letzten Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sei noch von einer freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen die Rede gewesen, die er im Rahmen der Möglichkeiten und Kapazitäten Tschechiens unterstütze, sagte der Sozialdemokrat. „Meiner Meinung nach ist die Einführung einer Quotenregelung derzeit rechtlich nicht möglich“, so der tschechische Regierungschef. Er sei außerdem der Meinung, dass eine solche Regelung den Migrationsdruck auf die Union weiter erhöhen könne.

Außenminister Lubomír Zaorálek (ČSSD) erklärte am Dienstag nach Verhandlungen mit seinen europäischen Amtskollegen, eine Reihe von Mitgliedsländern habe Vorbehalte gegen die Quote.
Über die Vorschläge der Kommission wird auch das Europäische Parlament beraten, außerdem muss eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten zustimmen. Das wären 15 Länder, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. Zu den Staaten, die bereits Widerstand angekündigt haben, zählt unter anderem die Slowakei. „Ich lehne prinzipiell jede Quoten-Politik ab“, sagte Premierminister Robert Fico bereits am Dienstag vergangener Woche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen.  

Hierzulande hat sich unterdessen auch der ehemalige Präsident Václav Klaus in die Diskussion eingeschaltet. Er kritisierte den Vorstoß der Kommission, das Flüchtlings-Thema zur Notlage zu erklären, der die Mitgliedsstaaten gemeinsam begegnen müssen. „Nicht-politische Flüchtlinge zu akzeptieren ist einer der größten Fehler der heutigen Zeit“, äußerte er gegenüber tschechischen Journalisten. „Die einzig sinnvolle Reaktion der Mitgliedsstaaten wäre, sich darauf zu verständigen, jeden Flüchtling freundlich dorthin zurückzuschicken, wo er hergekommen ist.“ Die Quotenregelung sei ein „tragischer Irrtum“ Europas, so Klaus.

Im vergangenen Jahr wurden in Tschechien 765 Asylanträge positiv beschieden, die meisten hatten Ukrainer, Syrer und Kubaner gestellt. Die Slowakei nahm 175 Schutzbedürftige auf. In Deutschland fanden 47.600 Personen Zuflucht, damit führt es die EU-Statistik vor Schweden, Frankreich und Italien an.